Nun...
der kürzere Bremsweg ....das liegt nur an der besseren Haftung der straßenorientierten 650er Bereifung, die außerdem vorne breiter ausfällt und deshalb mehr Bremskraft übertragen kann, bevor das ABS eingreift. Außerdem liegt es noch am tieferen Schwerpunkt durch kürzere Federelemente und damit verbundener Radlastverteilung .
Eine hochbeinige Endouro mit großem Federweg läßt sich nur sehr schwer auf kurze Bremswege trimmen. Vorne taucht sie tiefer ein und wird dann hinten leichter...und blockiert dann hinten früher -> ABS regelt -> Bremsweg wird länger.
Das hat nichts mit der eff.Bremsleistung der vorderen Bremsanlage zu tun.
BMW hat mit der Einscheiben-Anlage ehrer Proleme bei scharfer Fahrweise/Bremsung mit dem Verwinden der Gabel -> Instabilität , höherer Verschleiß, Temperatur und ev. Undichtigkeit der Gabelsimmeringe durch das Verdrehen der Gabel beim Bremsen...
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Naja, der Bremsweg wird dadurch bestimmt, wie stark das Motorrad verzögert werden kann. Wie stark verzögert werden muß, ist bei gleicher Geschwindigkeit nur vom Gewicht abhängig. Die Verzögerung, also der Geschwindigkeitsabbau hängt davon ab, wie groß die Reibkraft zwischen Reifen und Straße ist. Diese wiederum ist das Produkt aus Haftbeiwert der Paarung Reifen und Strasse und der Radlast bzw. der senkrecht zur Strassenoberfläche wirksamen 'Aufstandskraft'.
Der Haftbeiwert hängt bei gleicher Strasse natürlich von der Reifenmischung, dem Profil und der Aufstandsfläche ab, insofern gibt es dort einen modellspezifischen Einfluss, der der vorn dünner bereiften 800er zum Nachteil erwachsen könnte, die Mischung ist bei identischen Reifentypen, mit der ja beide Bikes angeboten werden allerdings gleich. Die 'Aufstandskraft' hängt natürlich von der Geometrie und Schwerpunktslage des Motorrades inklusive Fahrer ab, aber der Radstand ist bei beiden ja annähernd identisch und die statische Radlastverteilung sehr ähnlich, daß der Schwerpunkt der 800er etwas höher liegt und die Federwege länger sind, führt wohl jedoch zu einer höheren dynamischen Radlastverschiebung auf's Vorderrad, auch wenn oder gerade deshalb die 800er vorn weiter eintaucht. Eine höhere Radlast vorn, von kleinen Geometrieunterschieden bei Nachlauf etc. einmal abgesehen, sollte aber unweigerlich zu höheren übertragbaren Verzögerungskräften führen. Gerade deshalb und auch aufgrund des höheren Gewichts hat doch die 800er vorn die viel aufwendigere Bremsanlage, mit der sie allerdings später zum Stehen kommt, als die kleiner 650er, die eben einfach leichter ist und in Kombination mit der Reifengröße reicht dann die halbe Bremsanlage locker aus, um früher als die adipöse Schwester zum Stehen zu kommen.
Deine Argumentation (Federwege, Schwerpunkt, Eintauchen etc.) greift ja eigentlich nur für das Hinterrad, aber dort ist aufgrund der dynamischen Radlastverschiebung im Gefahrenbremsfall kaum etwas zu holen. Dort kann man das Bike stabilisieren, es etwas nach hinten die Federn ziehen, es dabei etwas tiefer halten und auch ein bißchen mitbremsen. Für den Kampf um die letzten Meter Bremsweg muß die Vorderradbremse zur Höchstform auflaufen. Sieh' Dir mal die Chopper an, mit langen Radstand und viel Gewicht hinten. Da kann man mit der Vorradradbremse im Vergleich zur Enduro anteilig bestimmt nicht soviel reißen.
Ob die Asymetrie der Einscheibenanlage wirklich so schädlich ist, wage ich zu bezweifeln. Ich habe auf knapp 28.000 km schon Bremsbeläge verbraucht. Die Scheibe zeigt noch keine Auffälligkeiten. Auf fast jeder Ausfahrt übe ich mind. eine Gefahrenbremsung aus 80 bis 160 km/h, immer im Regelbereich. Im Jahr nehme ich an ca. 2 Sicherheits- oder Fahrtrainings teil. Dort wird ja bekanntlich immer gebremst bis das Service-Mobil kommt. Aber Instabilität beim Bremsen, undichte Simmerringe, verzogene Gabeln o.ä. sind weder mir noch der Werkstatt meines Vertrauens bisher aufgefallen. Damit will ich nicht schreiben, daß ich ein toller Hecht bin, daß die Einscheibenbremse ein solcher ist, aber schon.
Fazit: Ich bin kein Motorradtechniker, aber ich glaube, die alte 650er war eben leichter und die eine Scheibe vorn hat in Zusammenhang mit der Fahrwerksgeometrie, Schwerpunktslage, dem Gewicht und der Bereifung locker gereicht, um die meisten Bikes souverän auszubremsen. Warum jetzt 'überflüssige' Bremsleistung installiert wird, die das Bike nur teurer, schwerer, unhandlicher (Einlenken), unsensibler bzw. unkomfortabler (ungefederte Massen) und wartungsintensiver bzw. anfälliger (zusätzliche Teile und Verschleißteile) macht, leuchtet mir als Kunde nicht ein. Dafür würde ich kein Geld ausgeben, solange ich die Wahl habe, im Gegenteil. Aus BMW-Sicht sieht man sicherlich Potential bei den Fans von Schwanzverlängerung & co. Eine Scheibe mehr ist wichtiger als die potentiellen Nachteile. Das ist die Inversion des vielzitierten 'Manchmal ist weniger eben mehr' oder eben genau 'Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?'. Und wenn man mehr Teile am Bike verkauft, kann man damit auch mehr verdienen, beim Verkauf und im Service... Wer also bei BMW schlank einsteigen will, dem bleibt wohl bald nur noch der Einzylinder oder Kawa, Honda, KTM o.ä.
freshman