Neben der garnicht genug zu empfehlenden "Oberen Hälfte" vom "Professor" Spiegel möchte ich noch ein weiteres Buch empfehlen: "Der richtige Dreh I,II" von Keith Code; insbesondere im 2. Band wird die Blickführung und was man dafür tun kann, sehr ausführlich erörtert.
Man kann kaum konkrete Tips geben - zumindest nicht in einem solchen Forum, weil die Texte, die man dafür schreiben müsste, von ihrer Länge her jenseits dessen sind, was einer, der es weiss, zu schreiben bereit ist - und auch dessen, was jemand, den so etwas interessiert, in einem Forum zu lesen bereit ist. Das Thema ist hochkomplex und die richtige Blickführung ist immer auch eine individuelle Frage: Was für ein "Typ" ist der Fahrer, die Maschine, die Fahrweise ... ?
Man muß sich hier auf ein paar ganz grundsätzliche Sachen beschränken:
Man muß begreifen, daß man "sehen lernen" muß. Das ist das wichtigste. Der Blick, die Blickführung ist die halbe Miete beim Motorradfahren - wichtiger als alles andere. Das kann man bei einem Instruktor lernen, auf der Rennstrecke - oder auch aus den beiden Büchern, die hier schon genannt wurden. Sicher ist eines: bei einem ADAC-Fahrsicherheitstraining indessen wird man allenfalls mit den Anfangsgründen vertraut gemacht, und muß dann alleine auf der Strasse weiterüben !
Diese Blickführung ist sehr sensibel - ich habe eine Zeitlang versucht, meine beiden Leidenschaften: Moped und Fotographie zu kombinieren - bin aber wieder davon abgekommen, weil die DSLR im Koffer oder TRS mit völlig den Blick durcheinandergebracht hat: der fotographische Blick und der Blick des Motorradfahrers "beissen" sich, was mich einmal beinahe in den Strassengraben gebracht hat.
Hier ein paar einzelne Tipps, die ich für wichtig halte:
1) Weit vorausschauen, an den Sichthorizont des Asphalts, auf das letzte Stück der Strasse schauen, daß man sehen kann, bevor es hinter der Botanik verschwindet !
2) Den Blick pendeln lassen - von "weit voraus" auf den Nahbereich: Zustand des Strassenbelages checken! Man kann den Blick zu diesem Zweck auch regelrecht teilen: man schaut weit voraus, und konzentriert sich mental auf den Nahbereich. Wie das geht, steht bei Keith Code im II. Band !
3) "Wohin man guckt, dahin fährt man!" Also nicht auf den Scheitelpunkt der Kurve starren, sonst fährt man genau dorthin - und aus der Kurve hinaus, sondern spätestens, wenn man einlenkt, den Blick wieder nach "weit vorne" umlenken - bewußt dazu zwingen, wenn es nicht anders geht, und bei langsamen Tempo auf verkehrsarmen Strassen ! Üben - üben - üben !
4) Wenn man ein Hindernis gesichtet hat, den "Fluchtweg" suchen, und zum Fluchtweg hinschauen - sonst fährt man unbewußt in Richtung des Hindernisses: ein Ölfleck, ein Ast, Rollsplitt, ein entgegenkommendes Fahrzeug, daß über die Mittellinie ragt ... - niemals anstarren wie das Kaninchen die Klapperschlange, sondern in den "Fluchtweg" am Hindernis vorbei schauen !
5) Den "Fehlerzähler" von Bernt Spiegel auch für Fehler der Blickführung benutzten !
6) Strasse und Landschaft ständig "scannen" ! Strassenverläufe wie Gefahrenquellen sind häufig schon sehr weit voraus zu erkennen, während sie durch Annäherung wieder unsichtbar werden. Auch das kann trainiert werden !
7) Das wesentliche vom unwesentlichen unterscheiden lernen: Nachdem ich mal in einem kleinen Dorf hart im ABS-Regelbereich vor einer Mauer gerade noch zum stehen gekommen war, weil da ein flottes teenie ein sehr interessantes Arschgeweih durch die Gegend getragen hat, gucke ich nie mehr nach sowas ! Keine Aufmerksamkeit für Landschaft, Arschgeweihe, Ärsche, Titten, geile Autos, Schlösser und Burgen usw. verschwenden, wenn man fährt ! Wenn man gucken will, sollte man anhalten !
8) Bei "hakeligen" Kurvendurchfahrten und ähnlichen Situationen ist es häufig hilfreich, sich beim Anfahren "Orientierungspunkte" für den Blick zu setzen: wenn ich eingelenkt habe, guck ich zu dem Leitpfosten da, und wenn ich wieder aufmache, gucke ich in Richtung von dem Gullideckel ! So kann man sich von Orientierungspunkt zu Orientierungspunkt "durchhangeln", was nicht optimal ist und irgendwann zu verbessern - aber für den Anfang ist es eine gute "Krücke", finde ich.
9) Visier sauber und beschlagfrei halten ! Hört sich saublöd an - aber nur wenige haben immer schön ihre Brillenputztücher für die Pause dabei !
10) Kopf hoch ! Wenn man was sehen will, darf man nicht den Kopf einziehen, und wie ein Soldat über den Rand seines Schützengrabens vorsichtig über den Rand der Kanzel oder der Scheibe linsen, sondern den Kopf so hoch wie möglich recken, und bei der Schräglage den Kopf aus der Schräglage hinaus wieder möglichst nahe an die Horizontale zu bringen lernen. Ansonsten sieht man, zB bei der GS, in voller Schräglage nur noch den Tank, den Zylinderkopf und Asphalt. Man muß hier gegen Reflexe oder Instinkte ankämpfen, genauso, wie man bei der Schräglage gegen Instinkte ankämpfen muß.