The flying brick
Tach !
"flying brick" nannte ein englischer Motorradjournalist die K 100, und etwas verballhornt wurde der fliegende Ziegelstein draus, und so heißt auch die sehr informative Seite
www.flyingbrick.de, auf der man alles nachlesen kann, was es zum "Ziegel" zu wissen gibt.
Ich habe auf der K 75 RT seit 2005 das kleine 1x1 des Motorradfahrens erlernt, und die K 1100 RS, die 2006 dazu gekommen ist, ist meine "Gouvernante", von der ich in die Anfangsgründe des ein wenig flotteren Motorradfahrens eingewiesen werde.
Um es vorweg zu sagen: die gebrauchten K 100, K 1100 dürfte man schon als Geheimtipp bezeichnen. Soviel gutes Motorrad für so wenig Asche bekommt man kaum. Für die Basis und RS-Modelle liegt die preisliche Obergrenze so bei 4 k€, lediglich die LT-Modelle, die als K 1100 LT noch bis Ende der neunziger Jahre gebaut wurden, können noch an die 7 k€ herankommen. Eine K 100 RS mit 4-Ventil-Motor, Paralever und ABS I ist in gutem Zustand zwischen 2-3 k€ zu haben.
Die K-Reihe war von Anfang an ihrer Zeit derart weit voraus, daß selbst die 15 Jahre alten Mopeds durchaus noch sehr gut mit den aktuellen Mopeds mithalten können. Vergleicht man natürlich nur die Datenblätter, dann wirkt die K natürlich sehr altbacken, vor allem was was Leistung und Leistungsgewicht anbelangt. Hinzu kommt ihr polarisierendes Design.
Aber auf der Strasse sieht die Welt ganz anders aus, als am Schreibtisch. Der Ziegelstein kann wirklich fliegen, und so träge und schwer er zu rangieren ist, so leichtfüssig bewegt er sich, wenn er erst mal rollt. Das hohe Gewicht mit niedrigem Schwerpunkt (der liegende Motor) macht die Fuhre sehr stabil und unempfindlich für Störeinflüsse. Mit einem ordentlichen Fahrwerk (das Originalfahrwerk muß zwischen 50.000 - 100.000 km raus) klebt der Ziegel auf dem Asphalt, wie die Scheisse am Handtuch, und die 4V-Modelle drücken sehr ordentlich nach vorne. Bei meiner 11er liegen ab 3.000 upm mindestens 90 Nm an, ab 4.500 mindestens 100 Nm, und so bleibt es bis ca. 7.500 upm. Dazu gibt es ein hervorragend abgestuftes 5-Gang-Getriebe, daß ich fast wie eine Automatik fahre: 5. Gang ist E, 4. Gang ist D, und der 3. Gang ist der Sportgang. Die Bremsen der 4-V-Modelle sind stark genug, um den Brocken angemessen zu verzögern, und auch überwiegend mit zumindest ABS I ausgestattet. Das Rattert zwar wie blöde und verursacht den berüchtigten "Rodeo-Effekt", aber seine Aufgabe erfüllt es sehr gut und auch nach 15, 20 Jahren enorm zuverlässig.
Das Moped ist auch ergonomisch sehr gut konzipiert - wobei bei den RS-Modellen "lehrbuchmässige" Sitzposition mit Ballen auf den Rasten und leicht nach vorne gelehntem, geraden Rücken verlangt wird. Dann fallen aber die Lenkerenden wie von selbst in die Hände, und das Motorrad nimmt die Befehle des Fahrers derart willig und "sensibel" entgegen, daß man manchmal meint, es fährt von ganz alleine durch die Kurve. Es ist in einer, wie ich finde, einzigartig gelungenen Art und Weise auf den Fahrer hin gebaut. Für flottere Gangart verlangt die RS ferner nach Gewichtsverlagerungen, die aber leicht vonstatten gehen. Auch da ist das hohe Gewicht, und der niedrige Schwerpunkt, der "Ziegelstein", an das man sich anlehnen kann, durchaus ein Vorteil. An einem gut gewarteten und kompetent pilotierten Ziegelstein vorbeizukommen ist garnicht so leicht, wie man es sich denkt. Vor allem lässt sich auf diesem Gerät auch eine relativ hohe Geschwindigkeit über enorm lange Strecken durchhalten, wenn die Rennsemmeltreiber schon mit schmerzenden Gelenken und schweisstriefend in den Seilen hängen - die Ziegel sind Tourentauglich, bieten einen bequemen Soziusplatz, und gute Beladungsmöglichkeiten, die auch vom Fahrverhalten her gut weggesteckt werden. Die BAB-Kompetenz ist überragend - noch weit über 200km liegt der Ziegel wie ein Brett, was ihn zum idealen Gefährt für Touren oder Teilstrecken mit hohem BAB-Anteil macht. An seine Grenzen kommt er erst im sehr engen Geläuf - da ist die GS natürlich eindeutig im Vorteil. Die RS sind ferner auch auf Schotter nicht gut zu sprechen, was nicht verwundern dürfte. Gelände ? Fehlanzeige.
Man merkt es: ich bin ein begeisterter Ziegelsteintreiber und werde es auch bleiben -trotz der 1150er GS, die ich als Ergänzung des Fuhrparks für die Schlechtwetterperiode, enges Geläuf, und Touren mit hohem Anteil an Schlechtwegen ansehe.
Die RT/LT-Modelle haben eine derart volle Vollverkleidung, die unter Fans auch als "Telefonzelle" oder "Gartenhäuschen" bezeichnet wird. Bis Null Grad brauchte ich auf der K 75 RT keine besondere Winterausrüstung. Erst bei Frostgraden mußte das Innenfutter in die Kombi, und bis minus 10 Grad ist es kuschelig warm hinter dem "Gartenhäuschen". Dafür kann es im Sommer unangenehm heiß werden, da ein Teil der Kühlerabluft (alle Ziegelsteine haben Wasserkühlung) in die Verkleidung geleitet wird.
Legendär ist die Standfestigkeit der Ziegelsteine. Ordentlich gewartet, sind Laufleistungen über 200.000 km keine Seltenheit. Im flyingbrick-forum gilt man erst ab 100.000 km als "volljährig". Die höchste bekannte Laufleistung hat eine K 75 Basic zu verbuchen, mit etwas über 800.000 km. Das muß man sich mal vorstellen - mit dem Motorrad !
Die Wartung, die bei den 4-V-Modellen alle 10.000 km erfolgt, ist aufwendig, die großen Inspektionen gehen leicht über 500,- € beim Freundlichen - mit einem entsprechenden Schrauberaufwand kann gerechnet werden. Die übelste Verschleißreparatur ist die Kupplung, die so um die 100.000 km hält. Dafür muß das Moped vom Hinterrad bis zur Motorausgangswelle zerrupft werden, was enorm aufwendig ist. Beim Freundlichen kann sowas an 1,5-2 k€ kommen, je nachdem.
Die 1200er-Modelle vor allem der ersten Baujahre ab 1997 konnten an diese Robustheit und Zuverlässigkeit nicht mehr ganz anknüpfen, die späteren Baujahre sollen wieder besser sein. Ich glaube, 2004 war es gewesen, daß mit der neuen K 1200 S die Tage des "fliegenden Ziegelsteins" beendet wurden. Die neue Generation hat einen wie üblich quer und stehend eingebauten Motor.
Eine kleine Sonderrolle spielt die K 75 als einziger von BMW je gebauter Dreizylinder, der dank Ausgleichswelle als ein Muster an Kultiviertheit geltend darf, und dessen Fahrwerk weniger leistungs- als leidensfähig ist. Schotter und leichtes Gelände nimmt es ebenso gleichmütig hin, wie Eis und Schnee. In der RT-Version war sie das Behördenmoped von halb Europa gewesen - teilweise sind die Dreitöpfe noch im Einsatz, die "Ex-Behörden" bestimmen inzwischen das Gebrauchtangebot.
Ein dunkeles Kapitel sind die recht starken hochfrequenten Vibrationen der 4-Zylinder-Modelle, die vor allem die RS-Fahrer plagen, die sich einer korrekten Sitzhaltung entziehen wollen. Die LT-Fahrer sind besser dran aufgrund der aufrechten Sitzhaltung und einem gummigelagerten Geweih-Lenker. Ab der K 1200 RS wurde der Motor gummigelagert - das Vibrationsthema ist damit erledigt.
Fazit: Die älteren K's sind keine Eierlegenden Wollmilchsäue wie die GS - sie sind reine Strassenmotorräder, dort aber spielen sie in der obersten Klasse und können auch auf die Rennstrecke gebracht werden ohne sich lächerlich damit zu machen. Wer sich für das Konzept interessiert, sollte ruhig mal eine Gelegenheit zur Probefahrt suchen - man wird in aller Regel sehr angenehm überrascht. Wer nur ein einziges Motorrad halten will, wird der GS schwerlich untreu werden - aber neben der GS kann eine RS für die flottere Gangart und lange Strecken durchaus erwägenswert sein, eine RT/LT ein angenehmes Winterfahrzeug sein.
Gruß
Kroni