Wie sind Eure Erfahrungswerte? Ich mache mir jetzt Sorgen, dass das ABS aussteigt ohne vorherige Anzeichen. Gibt es etwas, was auf einen Ausfall hindeutet?
Eine spröde Vermutung: Der Typ wollte sich vor dir als der große Checker aufspielen. Vielleicht hatte er sogar noch nicht einmal eine 1100er, sondern eine 1150er. Die Vermutung liegt nahe, weil die späteren 1150er ein Bremssystem mit elektronischem Bremskraftverstärker hatten. Dieser Bremskraftverstärker kann aufgrund vergleichsweise banaler Ursachen während der Fahrt aussteigen, was dann zur Folge hat, dass man nur noch eine magere Restbremsleistung zur Verfügung hat, und dafür auch noch viel fester reinlangen muss als gewohnt. Das kann natürlich, wenn es während der Fahrt auftritt, zu brenzligen Situationen führen.
Aber: Das kommt nur selten vor UND ES BETRIFFT DIE R1100GS NICHT, denn die hat ein anderes Bremssystem verbaut.
Die R1100GS hat ein bekanntes Problem mit Unterspannung beim Starten. Während des Startens (also Zündung an und Anlasser leiert) beginnt ein ABS-Selbsttest. Der beginnt damit, dass die Bordspannung gemessen wird, und zwar unter den denkbar ungünstigsten Umständen, nämlich während der Anlasser mit 1,1 kW an der Batterie zieht. Fällt dabei die Bordspannung unter einen gewissen Wert (ich glaube, es waren 11 Volt), dann wird der Selbsttest abgebrochen und das ABS abgeschaltet. Man merkt das daran, dass die beiden ABS-Lampen gleichzeitig blinken und nach dem Losfahren nicht ausgehen.
In diesem Fall hat man immer noch die volle Bremswirkung einer Brembo-Bremsanlage mit drei Scheiben, man hat eben nur keinen Schutz vor Radblockaden mehr.
Wie gesagt, das tritt bei älteren R1100GS relativ häufig auf. Ursachen sind eine schlappe Batterie oder ein schadhafter Anlasser (wenn die sehr alt werden, dann neigen sie dazu, immer mehr Strom zu ziehen, bis sie irgendwann gar nicht mehr funktionieren. Dieses Problem hört sich schlimmer an als es ist. Man kann den Anlasser überholen lassen oder einen chinesischen Nachbau-Anlasser für 50 Euro reinschrauben, dann ist das Problem erledigt. Mein Mechaniker hat bei meiner R1100GS von 1998 zusätzlich die Stromversorgung des ABS so geschaltet, dass es sich erst dann selbst testet, wenn der Motor angesprungen ist. Das war keine große Sache und hat einen Zwanziger in die Kaffeekasse gekostet.
Es kann sein, dass das ABS irgendeinen anderen Fehler entwickelt. Das kündigt sich dann so an, dass die ABS-Lampen nicht mehr aus gehen und auch nicht mehr gleichzeitig blinken, sondern wechselweise. Sowas kann auch während der Fahrt passieren. Die Ursachen sind vielfältig: Von einem dejustierten ABS-Sensor bis hin zu einem kaputten ABS-Modul. Wenn die ABS-Lampen wechselblinken, dann ist es was Ernstes.
Aber: Auch das ist kein Grund zur Panik. Erst einmal passiert nichts weiter als dass das ABS abgeschaltet wird. Die Bremsleistung ist unverändert da. Dass man also bei einer R1100GS plötzlich ins Leere greift, das ist bei diesem Motorrad genauso unwahrscheinlich wie bei allen anderen Motorrädern. Das ist so selten, dass man das nicht einkalkulieren muss.
Das Getriebe war eine Schwachstelle der R1100GS, deshalb wurde es während der Bauzeit dreimal überarbeitet. Seit dem Modelljahr 1997 wurde das Getriebe mit dem Code M97 verbaut, das gilt als standfest. Die berüchtigten „Gangspringer“ (Gang springt während der Fahrt kurzzeitig raus) hat dieses Getriebe nicht mehr. Es ist zwar immer noch eine ziemlich rustikale Crashbox, aber gemessen an einem Harley-Getriebe ist es ein feinmechanisches Sahnestück.
Wenn man darauf achtet, dass seine R1100GS regelmäßig das richtige Motoröl bekommt (20W50, kein 10W40 aus dem Baumarkt), wenn man auch Dinge wie Bremsflüssigkeit und Hinterachsgetriebeöl regelmäßig wechselt, wenn man immer mal wieder dafür sorgt, dass das ABS was zu regeln hat (z.B. auf einem Schotterweg) und wenn man die Geschichte mit dem ABS-Selbsttest aus der Welt schafft, dann ist die R1100GS ein sehr zuverlässiges und problemloses Mopped - erst recht wenn es eine der letzten Baujahre ist.
Viele Grüße vom Sampleman