B
Barney66
Themenstarter
Endlich war es wieder soweit: Die 11. "Go-East-Tour" rief 26 unerschrockene Biker und Bikerinnen zum Husarenritt in die Weiten Osteuropas.
Unser Guide und Organisator, J.B. Pohl von den „Blue Knights“ (weltweiter und größter Polizei-Motorradverein), hatte eine Route nach Jalta auf der Krim (Ukraine) über Tschechien, Österreich, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Moldawien ausgearbeitet. Die Unterkünfte, zumeist Hotels der mittleren bis gehobenen Kategorie, waren bereits vorgebucht – die Verbindungsetappen zwischen 180 und 430 km lang.
Die Biker rekrutierten sich aus diversen Chapter der Blue Knights aus Deutschland, Österreich und Norwegen, aber auch aus interessierten Kollegen und Freunden ohne Polizeihintergrund. Ein Kollege aus den USA musste leider krankheitsbedingt absagen. Sternförmig wurde der gemeinsame Treffpunkt Mikulov in Tschechien angefahren. Schnell fanden die „Fahrgemeinschaften“ für die Etappen zwischen den Hotels zusammen:
1. Die „Zügigen“ – Tourensportler mit Ambitionen auf das erste Lederbier
2. Die „Gemütlichen“ – Cruiser, Chopper und fahrende Sofas
3. Die „Graweler“ – Enduristen mit Affinität zu losem Untergrund und kleineren Erdferkeleien
So gab es aufgrund der individuellen Routenwahl natürlich durchaus unterschiedliche Erlebnisse, Erfahrungen und Überraschungen, welche dann am Abend in gemeinsamer Runde oder in Einzelgesprächen ausgetauscht wurden. Ich gehörte übrigens zur 3. Kategorie.
Ein chronologischer Reisebericht wäre bei täglicher Protokollierung möglich gewesen, aber ich war ehrlich gesagt zu bequem und manchmal auch zu erschöpft dazu. Ein Netbook würde sich für die nächste Tour anbieten, vielleicht auch ein Memocord. Viele Eindrücke, die mir so entglitten sind, hätte ich konservieren können. Übrigens war einer davon das allabendliche Bild von Bikern vor ihren Netbooks hockend - mailend, up- und downloadend, twitternd, facebookend, routend und was-weiß-ich-noch-alles ….end.
Ich möchte mich also auf einige Erlebnisse beschränken, die mich bewegt und beeindruckt haben und mir daher in guter Erinnerung geblieben sind.
Das sind auch die eigentlichen Schätze, die man auf so einer Reise mit nach Hause nehmen kann. Dazu gehören insbesondere auch die Momente, in denen die persönliche Einstellung zu manchen Dingen ins Wanken gerät und die eigene Werteordnung aufgemischt wird.
Das Verlassen der westlichen Hemisphäre beginnt bei Überschreitung der ungarisch–rumänischen Grenze. Dünn besiedelte Gebiete, hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt mit kleinen Dörfern, bestehend aus baufälligen Häuschen links und rechts der Fahrbahn.
Die Anwohner sieht man bei der Feldarbeit, oder unterwegs auf den allseits bekannten, autobereiften Pferdefuhrwerken, die für alles Mögliche eingesetzt werden: Für die Fahrt der Kinder zur Schule, zum Einkaufen oder zum Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Die Leute sind freundlich und je nach Abgeschiedenheit der Gegend gehen die Reaktionen vom kurzen Gruß bis zum ausgelassenen, heftigem Winken oder gar Fassungslosigkeit über das Erscheinen von Aliens auf ihren seltsamen Gefährten.
Ich könnte mir ein Leben in einem solchen Dorf kaum vorstellen, aber mich beeindruckte das offensichtliche Gemeinschaftsgefühl und der Familiensinn dieser Leute, die sich in den Abendstunden in den Vorgärten ihrer Hütten einträchtig versammelten. Da saßen mehrere Generationen, jung und alt, zusammen, schwatzten, aßen, spielten und schienen nichts zu vermissen. Kein TV, kein PC, kein Handy, keine Spielkonsole…
Nur der Müll etwas außerhalb auf einem Feld störte zumeist die Idylle.
Auf dem Weg zwischen dem rumänischen Sibiu nach Onesti fielen mir zum ersten Mal Leute auf, die vereinzelt am Straßenrand Obst zum Verkauf anboten; zumeist ältere Leute oder Kinder, die einen kleinen Eimer in den Händen haltend darauf hofften, dass jemand anhielt und ihnen für das Pfund Sauerkirschen oder Johannisbeeren etwas Geld geben würde. So standen sie da, allein, ohne Sitzgelegenheit oder Schutz vor Sonne und Regen.
Wir hatten einen der wenigen Regentage erwischt und ich war dabei, mich darüber zu ärgern, weil wir für diesen Tag einen Abstecher in die Karpaten auf die berüchtigte „Straße in den Wolken“, die Transfogarascher Hochstraße geplant haben. Als ich die armen Gestalten im Regen stehen sehen habe, kam ich mir wirklich jämmerlich vor. Ich, der mit den Vorzügen des westlichen Lebensstandards bedacht auf seiner - für hiesige Verhältnisse unerschwinglichen - BMW den Urlaub mit seinem Hobby verbinden kann, ärgere mich über den Regen. Allein die Kosten für meine All-Weather-Gore-Tex-Kombi dürfte das Jahreseinkommen eines hiesigen Durchschnittsbürgers weit überschreiten. Ja, man hat bei einer solchen Fahrt viel Zeit - und die Gedanken fangen an, ebenfalls auf Reisen zu gehen. Mit einem Mal war der Regen nicht mehr so wichtig.
Die „Straße in den Wolken“ machte an diesem Tage ihrem Namen alle Ehre. Die Nebelschleier begannen schon auf einer Höhe von 1000 m ü. NN. Wir schafften es tatsächlich bis auf etwa 1750 m. Da der Regen in heftigen Schneefall überging, der wegen der dort herrschenden Kälte auf der Fahrbahn liegenblieb, wurde jeder weitere Höhenmeter zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Andere Biker, die entschlossen an uns vorbei in Richtung Passhöhe (2042 m ü.NN) fuhren, kamen kurze Zeit später wieder zurück und gaben zu verstehen, dass der Pass gesperrt worden war. Schade. Ein andermal…
In den größeren Städten wandelte sich das Bild dann dramatisch. Hier treffen wenige Reiche auf jede Menge Arme. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Entweder vergammelte Ladas oder BMW X6 und Porsche Cayenne. Was die Männer durch diese Statussymbole ausdrücken, findet sich bei den Frauen offenbar in einem Wettstreit um die höchsten High-Heels und die kürzesten Hot-Pants wieder. Wobei häufig auch der Eindruck entsteht, dass diese Frauen in den Augen ihrer männlichen Begleiter denselben Status wie deren Fortbewegungsmittel besitzen.
Odessa: In den prachtvollen Einkaufspassagen aus dem 19. Jahrhundert werden Luxusgüter angeboten. Beim Betreten bemerkte ich im dunklen Zugang ein altes Mütterchen, ganz in schwarz gekleidet und bitterlich weinend. Ich dachte sofort an eine Bettelmasche. Aber da fehlte das Aufdringliche, das Flehende, das Aufmerksamkeit Heischende. Das waren keine Krokodilstränen, das war echte Verzweiflung. Der Grund hierfür war nicht offensichtlich und ich hatte keine Möglichkeit, ihr zu helfen oder mein Mitgefühl zu zeigen – sie hätte mich nicht verstanden. Ich fühlte mich ziemlich schlecht dabei, weil ich mir meine Betroffenheit nicht anmerken ließ und in der Passage meine Fotos machte. Nach einiger Zeit verließ ich die Passage – das Mütterchen weinte immer noch…
Die lieben Vierbeiner haben hier übrigens nichts zu lachen. Ich habe noch nie so viele verängstigte und misstrauische Hunde gesehen – gleiches gilt für deren Kadaver am Straßenrand. Tierfreunde sollten hier besser nicht herkommen.
Zu den Straßen in Rumänien, Moldawien und der Ukraine kann ich sagen, dass die Schotterstrecken, solange trocken, recht gut befahrbar waren. Auch die kleineren Verbindungsstraßen zwischen den Dörfern waren mangels Auslastung von Schwerverkehr in einem passablen Zustand. Sobald man aber die Ortsdurchfahrten erreichte, war es damit schlag(loch)artig vorbei. Mit größter Konzentration und unter Ausnutzung der gesamten Fahrbahnbreite, seines jeweiligen fahrerischen Könnens und des gesamten zur Verfügung stehenden Federweges der Moppeds wurden die tiefsten Krater umrundet, oder, wenn keine geschlossene Decke mehr vorhanden war, die weniger tiefen Stellen „volley“ genommen.
So ganz bedenkenlos waren wir nicht, als wir im „Outback“ Flüsse überqueren mussten. Gewagte Konstruktionen waren zu überwinden und seltsamen Wasserfahrzeugen sein "Vertrauen" zu schenken. Augen zu und durch...
Weiter gehts mit der nächsten Maus...
Unser Guide und Organisator, J.B. Pohl von den „Blue Knights“ (weltweiter und größter Polizei-Motorradverein), hatte eine Route nach Jalta auf der Krim (Ukraine) über Tschechien, Österreich, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Moldawien ausgearbeitet. Die Unterkünfte, zumeist Hotels der mittleren bis gehobenen Kategorie, waren bereits vorgebucht – die Verbindungsetappen zwischen 180 und 430 km lang.
Die Biker rekrutierten sich aus diversen Chapter der Blue Knights aus Deutschland, Österreich und Norwegen, aber auch aus interessierten Kollegen und Freunden ohne Polizeihintergrund. Ein Kollege aus den USA musste leider krankheitsbedingt absagen. Sternförmig wurde der gemeinsame Treffpunkt Mikulov in Tschechien angefahren. Schnell fanden die „Fahrgemeinschaften“ für die Etappen zwischen den Hotels zusammen:
1. Die „Zügigen“ – Tourensportler mit Ambitionen auf das erste Lederbier
2. Die „Gemütlichen“ – Cruiser, Chopper und fahrende Sofas
3. Die „Graweler“ – Enduristen mit Affinität zu losem Untergrund und kleineren Erdferkeleien
So gab es aufgrund der individuellen Routenwahl natürlich durchaus unterschiedliche Erlebnisse, Erfahrungen und Überraschungen, welche dann am Abend in gemeinsamer Runde oder in Einzelgesprächen ausgetauscht wurden. Ich gehörte übrigens zur 3. Kategorie.
Ein chronologischer Reisebericht wäre bei täglicher Protokollierung möglich gewesen, aber ich war ehrlich gesagt zu bequem und manchmal auch zu erschöpft dazu. Ein Netbook würde sich für die nächste Tour anbieten, vielleicht auch ein Memocord. Viele Eindrücke, die mir so entglitten sind, hätte ich konservieren können. Übrigens war einer davon das allabendliche Bild von Bikern vor ihren Netbooks hockend - mailend, up- und downloadend, twitternd, facebookend, routend und was-weiß-ich-noch-alles ….end.
Ich möchte mich also auf einige Erlebnisse beschränken, die mich bewegt und beeindruckt haben und mir daher in guter Erinnerung geblieben sind.
Das sind auch die eigentlichen Schätze, die man auf so einer Reise mit nach Hause nehmen kann. Dazu gehören insbesondere auch die Momente, in denen die persönliche Einstellung zu manchen Dingen ins Wanken gerät und die eigene Werteordnung aufgemischt wird.
Das Verlassen der westlichen Hemisphäre beginnt bei Überschreitung der ungarisch–rumänischen Grenze. Dünn besiedelte Gebiete, hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt mit kleinen Dörfern, bestehend aus baufälligen Häuschen links und rechts der Fahrbahn.
Die Anwohner sieht man bei der Feldarbeit, oder unterwegs auf den allseits bekannten, autobereiften Pferdefuhrwerken, die für alles Mögliche eingesetzt werden: Für die Fahrt der Kinder zur Schule, zum Einkaufen oder zum Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Die Leute sind freundlich und je nach Abgeschiedenheit der Gegend gehen die Reaktionen vom kurzen Gruß bis zum ausgelassenen, heftigem Winken oder gar Fassungslosigkeit über das Erscheinen von Aliens auf ihren seltsamen Gefährten.
Ich könnte mir ein Leben in einem solchen Dorf kaum vorstellen, aber mich beeindruckte das offensichtliche Gemeinschaftsgefühl und der Familiensinn dieser Leute, die sich in den Abendstunden in den Vorgärten ihrer Hütten einträchtig versammelten. Da saßen mehrere Generationen, jung und alt, zusammen, schwatzten, aßen, spielten und schienen nichts zu vermissen. Kein TV, kein PC, kein Handy, keine Spielkonsole…
Nur der Müll etwas außerhalb auf einem Feld störte zumeist die Idylle.
Auf dem Weg zwischen dem rumänischen Sibiu nach Onesti fielen mir zum ersten Mal Leute auf, die vereinzelt am Straßenrand Obst zum Verkauf anboten; zumeist ältere Leute oder Kinder, die einen kleinen Eimer in den Händen haltend darauf hofften, dass jemand anhielt und ihnen für das Pfund Sauerkirschen oder Johannisbeeren etwas Geld geben würde. So standen sie da, allein, ohne Sitzgelegenheit oder Schutz vor Sonne und Regen.
Wir hatten einen der wenigen Regentage erwischt und ich war dabei, mich darüber zu ärgern, weil wir für diesen Tag einen Abstecher in die Karpaten auf die berüchtigte „Straße in den Wolken“, die Transfogarascher Hochstraße geplant haben. Als ich die armen Gestalten im Regen stehen sehen habe, kam ich mir wirklich jämmerlich vor. Ich, der mit den Vorzügen des westlichen Lebensstandards bedacht auf seiner - für hiesige Verhältnisse unerschwinglichen - BMW den Urlaub mit seinem Hobby verbinden kann, ärgere mich über den Regen. Allein die Kosten für meine All-Weather-Gore-Tex-Kombi dürfte das Jahreseinkommen eines hiesigen Durchschnittsbürgers weit überschreiten. Ja, man hat bei einer solchen Fahrt viel Zeit - und die Gedanken fangen an, ebenfalls auf Reisen zu gehen. Mit einem Mal war der Regen nicht mehr so wichtig.
Die „Straße in den Wolken“ machte an diesem Tage ihrem Namen alle Ehre. Die Nebelschleier begannen schon auf einer Höhe von 1000 m ü. NN. Wir schafften es tatsächlich bis auf etwa 1750 m. Da der Regen in heftigen Schneefall überging, der wegen der dort herrschenden Kälte auf der Fahrbahn liegenblieb, wurde jeder weitere Höhenmeter zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Andere Biker, die entschlossen an uns vorbei in Richtung Passhöhe (2042 m ü.NN) fuhren, kamen kurze Zeit später wieder zurück und gaben zu verstehen, dass der Pass gesperrt worden war. Schade. Ein andermal…
In den größeren Städten wandelte sich das Bild dann dramatisch. Hier treffen wenige Reiche auf jede Menge Arme. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Entweder vergammelte Ladas oder BMW X6 und Porsche Cayenne. Was die Männer durch diese Statussymbole ausdrücken, findet sich bei den Frauen offenbar in einem Wettstreit um die höchsten High-Heels und die kürzesten Hot-Pants wieder. Wobei häufig auch der Eindruck entsteht, dass diese Frauen in den Augen ihrer männlichen Begleiter denselben Status wie deren Fortbewegungsmittel besitzen.
Odessa: In den prachtvollen Einkaufspassagen aus dem 19. Jahrhundert werden Luxusgüter angeboten. Beim Betreten bemerkte ich im dunklen Zugang ein altes Mütterchen, ganz in schwarz gekleidet und bitterlich weinend. Ich dachte sofort an eine Bettelmasche. Aber da fehlte das Aufdringliche, das Flehende, das Aufmerksamkeit Heischende. Das waren keine Krokodilstränen, das war echte Verzweiflung. Der Grund hierfür war nicht offensichtlich und ich hatte keine Möglichkeit, ihr zu helfen oder mein Mitgefühl zu zeigen – sie hätte mich nicht verstanden. Ich fühlte mich ziemlich schlecht dabei, weil ich mir meine Betroffenheit nicht anmerken ließ und in der Passage meine Fotos machte. Nach einiger Zeit verließ ich die Passage – das Mütterchen weinte immer noch…
Die lieben Vierbeiner haben hier übrigens nichts zu lachen. Ich habe noch nie so viele verängstigte und misstrauische Hunde gesehen – gleiches gilt für deren Kadaver am Straßenrand. Tierfreunde sollten hier besser nicht herkommen.
Zu den Straßen in Rumänien, Moldawien und der Ukraine kann ich sagen, dass die Schotterstrecken, solange trocken, recht gut befahrbar waren. Auch die kleineren Verbindungsstraßen zwischen den Dörfern waren mangels Auslastung von Schwerverkehr in einem passablen Zustand. Sobald man aber die Ortsdurchfahrten erreichte, war es damit schlag(loch)artig vorbei. Mit größter Konzentration und unter Ausnutzung der gesamten Fahrbahnbreite, seines jeweiligen fahrerischen Könnens und des gesamten zur Verfügung stehenden Federweges der Moppeds wurden die tiefsten Krater umrundet, oder, wenn keine geschlossene Decke mehr vorhanden war, die weniger tiefen Stellen „volley“ genommen.
So ganz bedenkenlos waren wir nicht, als wir im „Outback“ Flüsse überqueren mussten. Gewagte Konstruktionen waren zu überwinden und seltsamen Wasserfahrzeugen sein "Vertrauen" zu schenken. Augen zu und durch...
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