hier der Beitrag, jetzt hoffentlich besser lesbar.
Zwei Tage hatte ich Zeit, um einmal rauszukommen und möglichst viele Kurven zu fahren. In den Harz? Kommt nicht in Frage, zu viele Sonntagsfahrer, die mit Opel, Mazda oder Benz die Anhöhen hochschleichen – Vorurteile habe ich nicht. Nein es sollten möglichst viele 2000er Pässe sein. Zur langen Anfahrt wollte ich den Autozug Last Minute nutzen (Hamburg – München). Um alle Risiken (Wetter, Krankheit, …) auszuschalten, erst Donnerstag buchen. Und dann: Mittwoch waren noch zwei Züge im Angebot, Donnerstag ist es nur noch einer und der ist ausgebucht – voll verzockt, sch… Was jetzt?
Raus muss ich unbedingt. Also doch in den Harz, wie langweilig. Dann fahre ich eben runter suche mir eine Unterkunft, setze mich auf die Terrasse, trinke ein Bier und lese irgendetwas.
Am Samstag geht es um 9 Uhr los. Die F650 Dakar habe ich erst seit drei Monaten. Ich fahre mit 105 auf der Autobahn, um Reifen und Sprit zu sparen (3,7 l, 320 km mit einer Tankfüllung, das reicht gerade bis zum Harzanfang). Ich fahre zuerst nach Sankt Andreasberg. Einige Strecke sind dann doch kurviger und viel netter als erwartet. Hinter Clausthal Zellerfeld geht es nun in den Ostharz. Donnerschock, da gibt es ja doch richtig nette Kurven und es gibt so viele Biker, dass einige schon nicht mehr grüßen. Der Blick auf die Kette: Wieso ist die blank, hat doch nicht geregnet. Als alter Kardanfahrer rechnet man damit nicht. Doch die kleine Tanke ist auf Biker eingestellt, ich kaufe Kettenspray. Dann also sprühen und in Ruhe einen Kaffee trinken, damit der Klebkram nicht gleich wegfliegt. Danach kurve ich begeistert Richtung Harzgerode – irgendwo hätte ich den Brocken sehe sollen, aber mein Blick ist auf die Straße gerichtet. Und dann geht es nach Aschersleben, wo ich eine Unterkunft gebucht habe. Ich komme um 15 Uhr an, im Zimmer merke ich die Ermüdung. Also kurz duschen, was essen und ab zum Höhepunkt: Kyffhäuser „Bergrennstrecke“.
Bereits die Anfahrt führt mich auf kleinen Wegen an der Burg Falkenstein vorbei nach Abberode. Aber dann verliere ich den geplanten Weg, das Dom-Dom-Navi hat keine aktuelle Karte und ich ende an einem Sackgasse-Schild. Sackgasse mitten in den Bergen und außerhalb eines Ortes? Na da möchte ich doch zu gerne sehen, wie die Straße endet. Der Belag wird schlechter und ich habe eine echte Schotter- und Waldwegpiste erwischt, die richtig Spaß bringt – ohne Sackgasse: ich komme auf eine weitere herrliche Nebenstraße. Von vorne kommt eine Q und mit Abstand eine quietschgelbe 650 gs. Unweigerlich muss ich denke, er zügig vorweg und hinten sie. Endlich sehe ich in der Ferne einen Höhenzug. Kann das der Kyffhäuser sein?
Sieht so flach aus als würde man mit fünf Kurven oder gerade hochfahren können. Es ist der Höhenzug und vor der erste Kurve ein Parkplatz mit diversen Bikern. Ne, zum Kaffee trinken bin ich nicht hier, wann geht es los? Vor mir eine Dicke (irgendein Bike ab 1000er) und dann auch noch ein Audi. Ich fahr hinterher. Aber schon die erste Kurve ist echt super. Die beiden vor mir fahren schon ganz flott, Überholen ist nicht machbar: durchgezogene Linie und außerdem fehlen mir ganz eindeutig die PS, denn auf den kurzen Zwischenstücken muss ich ordentlich Drehen um Anschluss zu halten. Nur die Kurven bekommt der Audi nicht so flott hin und bremst zum Glück meine Begeisterung nur wenig und zügelt meinen Übermut. Zum ersten Mal kratzen die Stiefelspitzen am Asphalt, solche Schräglagen habe ich noch nie mit der Dakar gewagt – es ist einfach nur genial, was der Heidenau ermöglicht. Oben angekommen hält die Dicke an und der Audi biegt ab. Und nun?
Eine Gruppe von Mopeds fährt vorbei. Egal, einfach hinterher. Die werden schon einen guten Weg kennen. Die Kurven sind super und die Gruppe nicht zu schnell für mich. Dann kommt sie, die Links-Kurve, etliche Typen mit ihren Racern in Rennkleidung stehen dort am Rand und gucken nur. Wer macht hier Pause, ist doch bescheuert an dieser Stelle? Ich sehe nur den ersten Fahrer der Gruppe, der ich folge: er und die nächsten Biker landen am Kurvenausgang auf der Gegenfahrbahn, eine zuziehende Schweinekurve. Klar, jetzt weiß ich warum die Gaffer hier stehen, die wollen sehen, wie die Leute abschmieren. Ist bei jedem Rennen so: die Leute stehen dort, wo etwas passiert. Und die Kurve ist wirklich zum Kotzen, obwohl ich gewarnt sein sollte, lande auch ich auf der Gegenfahrbahn. Wir haben Glück, niemand kommt von vorne. Noch ein paar schöne Kurven und ich bin im Ort am Ende der „Rennstrecke“.
Aber ich muss noch zum Hotel zurück, also 180 Gradwende und wieder hoch. Und auch bergauf fällt die Schweinekurve negativ auf, ich bin etwas zu schnell, Gas weg, Hinterrad anbremsen, runterschalten, Anschlag, der zweite Gang gibt Dampf, das Hinterrad schmiert in einem Minidrift, Herzklopfen: runde Kurven fühlen sich anders an. Dennoch die nachfolgenden Kurven sind flüssig und mit schöner Schräglage, sie sind wieder ein Genus! Über den Berg und gleich weiter. Vor mir erscheint ein Moped mit einer Hinterradwalze: fett. Ich komme näher, aber nicht ran. Was wird das für ein Spielchen? Jetzt legt er los, schleift mit dem Knie am Asphalt. Ja ist klar, ich soll folgen, aber die Nummer ist mir dann doch zu scharf. Ich lasse ihn lieber ziehen und fahre wieder etwas sparsamer. Und da ist er, der allseits beliebte Reisebus und fast alle fahren vernünftig hinterher: Überholverbot. Einige Rennfahrer überholen trotzdem. Ich kann es nicht glauben, von vorne kann doch alles kommen nur keine Schnecke. Mir reicht es für heute. Der Kyffhäuser ist die schärfste Strecke, die ich seit langem gefahren bin. Die Sonne nähert sich dem Horizont und ich fahre zur Unterkunft. Leider kommen mir zwei Notarztwagen mit Blaulicht entgegen. Abends bin ich völlig fertig, Essen und Bierchen und ab ins Bett.
Am nächsten Morgen ist es echt kalt. Die Dakar ist klitsch nass. Tanken und los. Nein, es ist sogar sau kalt, soll ich die Griffheizung einschalten? Nein, das geht gar nicht, es ist ja noch nicht Weihnachten. Auf dem Weg über Harzgerode folgt mir eine BMW. Wie die Brockenhexen fegen wir auf unseren Besen den Berg hoch, es macht mächtig Spaß. An einer langsamen Stelle fährt er neben mir, winkt mir zu, grinst und biegt dann ab.
Ich setze meine Tour über Braunlage zur Okertalsperre fort. Vor mir fährt ein Motorradclub gemählich als Gruppe, dann kommen tolle Kurven, die Gruppe zieht sich in die Länge. Ich fahre hinter den langsameren her: Keine Lust mir den Kurvenspaß verbremsen zu lassen, ich fange an zu überholen, wohl wissend, dass es eigentlich nicht erwünscht ist, aber... Dann hänge ich hinter so einem mit reichlich Hubraum und PS: vor der Kurve bremsen, mit wenig Schräglage rumrollen lassen, hinter der Kurve mit Drehmoment und Leistung beschleunigen. Ich komme nicht vorbei. Urplötzlich müssen wir nach einer Kurve eine Vollbremsung hinlegen. Es sind Opi und Omi, die mitten auf der Straße rangieren, um den Parkplatz auf der Gegenseite anzusteuern. Opi hat leider die Kurve nicht bekommen, muss zurücksetzen und ein zweites Mal die Einfahrt anpeilen. Soll ich so noch weiterfahren?
Nein es ist Sonntag, der Harz ist voll mit Fahrzeugen. Ok, auch andere haben ein Recht auf die herrliche Landschaft und die tollen Straßen. An der Okertalsperre mache ich Pause und schaue mir die vorbeifahrenden Oldtimer, Chopper und Radfahrer an; winke und wünsche ihnen im Stillen viel Spaß. Dann mache ich mich auf die Heimreise. Sind ja schließlich noch 350 km und ich hatte nun wirklich meinen Spaß. Nach 700km Hin- und Rückfahrt sowie 500 km bergauf und bergab kann ich nur sagen, der Harz ist eine Motorradreise auf jeden Fall wert.