Türkei Reisebericht 2012

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Christoph Lipjes

Christoph Lipjes

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Teil 19

Auf zum Vansee 15.05.2012


[Christoph] Nach einem guten Start über die D-380 aus Mardin biegen wir bald in eine kleine Nebenstrecke ab, die uns über Savur bis Gercüs viel Fahrspaß bereitet. Teilweise wachsen die Bäume über der Straße zusammen. Wir fahren durch einen grünen Tunnel. Vorher sehen wir die ersten Militärkonvois, die wohl Richtung syrische Grenze unterwegs sind. Hinter Gercüs biegen wir wieder links auf die D-955 und fahren nordwärts bis kurz vor Batman.
strasse.jpg
In Hasankeyv machen wir natürlich eine Pause. Ist quasi Pflicht, denn hier plant der türkische Staat im Zuge des Südostanatolien Projektes den Ilisu Staudamm. Neben den hier ansässigen Kurden protestieren auch internationale Organisationen gegen die Aufstauung des Tigris. Trotz dieser Proteste hat die Regierung 2006 mit dem des Staudammes begonnen. Deutsche, Schweizer und österreichische Banken haben entsprechende Kredite zur Finanzierung bereitgestellt. Da die Umweltauflagen und die Auflagen zum Schutz der Kulturgüter der Geberstaaten nicht erfüllt wurden, wurde der Bau gestoppt.
Seit 2010 hat Ministerpräsident Erdogan bekannt gegeben, das neue Kreditgeber gefunden wurden und der Staudamm weiter gebaut werden kann. Vielleicht schaut dann bald nur noch die Spitze des Minarettes der El-Risk-Moschee aus den aufgestauten Fluten hervor. Allerdings nur theoretisch. Denn die wichtigsten Gebäude sollen in einem archäologischen Park umgesetzt werden. Am neuen Hasankeyv wird schon gebaut. Die Entschädigungen, die gezahlt werden sollen, reichen allerdings nicht für den Ankauf der neuen Häuser durch die jetzigen Einwohner des alten Hasankeyv. keyv.jpg
Vielleicht kommt es aber ganz anders. Es gibt ein Alternativprojekt, bei dem fünf kleinere Staudämme geplant sind. Wir schauen uns das Örtchen von einem Café an und erwerben noch Schlüsselanhänger für unsere Motorradschlüssel bevor es weiter geht. Auf den Straßen sind fast alle Anwohner auf den Tourismus eingeschworen. Alles mögliche ist hier zu erwerben. Vom Schal über Teppiche bis hin zu echt chinesischen Spielzeugpistolen.
Auf der anderen Seite des Tigris fahren wir zunächst einige Kilometer entlang des Flusses, bevor die Straße nach Norden Richtung Batman abbiegt. Den "Batman" haben wir dort zwar nicht getroffen, dafür aber gut zu Mittag gegessen. Der Name stammt von dem nahegelegenen Bati Raman Bergen und natürlich von dem fliegenden Amerikaner. Von hier fahren wir dann nicht weiter auf der D-955, sondern biegen vorher auf eine weiteren Nebenstrecke, der D-370 Richtung Van See. So hoffen dem drohenden Regen zu entkommen. Was uns auch relativ gut gelingt. Auf der D965 fahren wir mal langsamer, mal schneller durch eine 20 km lange Baustelle. Zwischenzeitlich sind wir auch mal eben über 1800 Höhenmeter. Es wird mal wieder kühler. Dafür wird der Pass immer kurviger.
schafe.jpg
Endlich Tatvan am wunderschönen blaugrünen Vansee. Der Vansee liegt auf gut 1600 m Höhe und es ist abends angenehm kühl. Er ist mit gut 3700 km² der größte See der Türkei. Der Nemrut Daghi, nicht der mit dem Königsgrab, auf dem wir schon gestanden haben, hat durch seine Eruptionen eine riesige Staumauer erschaffen und so hat der See keinen Abfluss mehr. Aus den umliegenden Bergen wird der See mit Schmelzwasser versorgt. Im Sommer verdunstet dieses wieder. Das Wasser wäscht aus dem Gestein sodahaltige Mineralien aus. Daher ist der See leicht seifig. Das ist zwar gut für das Wäschewaschen, aber eine Hand mit einer kleinen Wunde sollte man nicht gerade eintauchen. Aus Schaden lernt man. Schwimmen kann man auch, uns ist es allerdings noch zu kalt. Außerdem muss man sich natürlich vor dem "Vannessi" in Acht nehmen. Dieses Seeungeheuer soll erstmals 1960 gesichtet worden sein. Also immer schön aufpassen. Ansonsten schwimmt in dem See auf Grund des hohen Sodagehaltes nicht mehr viel herum. Lediglich an den Flussmündungen halten sich Fische. Eine Fischart hat es allerdings geschafft sich der neuen Umwelt anzupassen. Es ist der Inci Kefal.
Tatvan selber ist nicht sehr interessant. Wir fahren zunächst über die zentrale Straße in die Stadt ein und suchen ein Hotel. Da wir nichts finden, biegen wir zur Uferstraße ab und suchen hier. Aber auch ein Hotel mit Seeblick ist nicht zu finden. Irgendwann frage ich dann zwei Männer und die schicken uns in eine kleine Seitenstraße. Das empfohlene Hotel ist allerdings ausgebucht und so bekommen wir eine weiter Empfehlung. Nach kurzer Suche checken wir im Otel Karaman ein. Das ist das beste Hotel am Platz, soweit wir gesucht haben. Guter **Sterne Stil. Wie gewohnt handeln wir natürlich, wenn es um die Übernachtung geht. Manchmal klappt es ganz gut, hier war es eher schwierig.
In der Regel geht die Verhandlung folgendermaßen vonstatten: Ich gehe als Erster ins Hotel und versuche mit ein paar Brocken türkisch je ein Einzelzimmer klar zu machen. Die Angestellten bieten dann ein Zimmer für drei Personen, ich bestehe dann aber auf drei Zimmer für jeweils eine Person. Wenn das klar ist, unterhalten wir uns über den Preis. Ich schaue mir die Zimmer an und habe in der Regel etwas zu meckern. Nicht das die Zimmer schlecht wären, aber wir müssen ja noch über den Preis verhandeln. Fast immer gehen 10% bis 15%. Wenn nicht, gehe ich raus zu Schwager und Thomas. Erzähle Wort- und vor allem Gestenreich das bisher Erreichte, bzw. Nichterreichte und heftiges Kopfschütteln folgt dann von Beiden. Natürlich immer unter Beobachtung der Angestellten. Dann gehe ich zurück und verhandele weiter. Wir haben Nebensaison. Das Hotel ist total leer. Wir können ja nochmal woanders schauen. Und und und. Bis auf einen Fall hat das immer geklappt. Wir reizen das natürlich nicht bis zum bitteren Ende aus. Am Ende sind beide Seiten zufrieden und wir haben mal wieder eine gute Übernachtung.
[Thomas] Bei strahlendem Sonnenschein und 28 Grad verließen wir Mardin in Richtung Osten nach Tatvan am Van-See. Auf typischen Motorradstraßen tourten wir zunächst durch eine landschaftlich reizvolle Gegend. Nachdem wir vor ein paar Tagen den Euphrat überquert haben, kreuzten wir heute den Tigris und verließen das Zweistromland Mesopotamien.
Am Tigris besuchten wir das Dorf Hasankeyv, das bald mit seinen gesamten Sehenswürdigkeiten in einem riesigen Stausee verschwinden wird. Eigentlich unvorstellbar aber wohl nicht aufzuhalten. Der Zeitpunkt der Flutung wird zwar von der Regierung geheim gehalten, ist aber beschlossene Sache. Die Auswirkungen für die Nachbarländer spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Vielleicht finden wir beim nächsten Besuch dort ein Taucherparadies vor, das die Unterwassererkundung einer Moschee, von Felswohnungen und einer alten römischen Brücke anbietet.
Je weiter wir nach Osten kamen, je karger und weniger besiedelt aber umso dramatischer wurde die Landschaft. Zeitweise fühlte ich mich an Karl Mays Buch "Durchs wilde Kurdistan" erinnert, in dem er die Landschaft genauso beschreibt, obwohl er sie selbst ja nie gesehen hat. Leider wurden aber auch Wetter und Straßen immer schlechter. Nur durch geschickte Auswahl der Strecke und gutes Pausentiming erreichten wir trocken aber erschöpft um 19 Uhr unser Etappenziel Tatvan.
 
A

AMMONT

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Sehr interessant.Weiter so! Bin auf Ararat gespannt.
 
Nordwind

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Da bin ich doch auch auf den nächsten Bericht gespannt.

Liest sich klasse und informativ.
 
Christoph Lipjes

Christoph Lipjes

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Teil 20

Zieleinfahrt 16.05.2012




[Christoph] Als Erstes starten wir den Versuch auf den zweiten Nemrut Daghi unserer Reise zu gelangen. Er soll neben einem fantastischen Blick auf den Van See, auch die ihm eigene Caldera zeigen. Wir finden die kleine Straße, die uns vom Hotelier beschrieben wurde und fahren durch ein Dorf, bevor es auf ein jetzt noch geteerten Straße weiter bergauf geht. Der Sessellift, an dem wir voreifahren, war bestimmt vor nicht allzu langer zeit noch im Betrieb. Links und rechts der kleinen Straße schieben sich immer mehr Schneefelder an uns heran. Zunächst geht alles klar, aber bald müssen wir immer wieder halten um Steine beiseite zu räumen. Auch einige Touristen mit Autos haben wohl den gleichen Plan, aber wo wir noch um die Steine auf der Straße herum zirkeln können, ist bei ihnen schon Schluss. Bei ca. 2470 Höhenmeter ist jedoch auch für uns Schluss. Altschnee und größere Gesteinsabrüche hindern uns am weiterfahren. Da die beiden Herren meinen Sie müssten unbedingt noch ihre Mopeds zur Seite legen beschäftigen wir uns zwischendurch auch noch mit diesem Problem. Aber selbst die Adventure von Thomas lässt sich mit drei Leuten doch relativ gut aus dem Schnee bergen. Also wieder zurück. Vor dem Dorf halten wir noch einmal an und ich verteile verschieden Aufkleber an die Kinder, die sofort ran kommen. Zu Hause habe ich gedacht, das wäre doch eine Super Idee Aufkleber für die Kinder mitzubringen, denn Geld wollte ich nicht schenken, aber die Kinder wussten gar nichts damit anzufangen. Erst als ich andere Aufkleber an meinen Koffer zeigte, wurde ihnen klar wofür die Dinger wohl sein könnten. Demnächst kaufe ich Bonbons vor Ort. Damit mache ich die Kinder bestimmt glücklicher.
steine.jpg
Weiter fahren wir entlang des Vansees über mal wieder gut ausgebaute Straßen. Zwischendurch müssen wir natürlich noch eine Pause einlegen. Wir essen mal wieder leckere Köfte. Dieses Mal mit Blick auf den Vansee und die dahinter aufragenden Berge. Außerdem gibt es noch andere Berge zu sehen. Müllberge. Na Prost Mahlzeit. Da hält es uns nicht allzu lang und so fahren wir weiter auf der D-965, die später E99 heißt. Vor Muradiye werfen wir noch einen letzten Blick auf den Van See.
Ab jetzt geht es mehr oder weniger parallel zur Landesgrenze mit dem Iran bis Dogubayazit. Wir dachten nicht noch so hoch hinaus zu kommen, aber hier liegt der Pass bei 2644 Höhenmetern. Nicht schlecht und das bei Regen. Unter den mischt sich alsbald dann auch etwas Hagel. Klasse, hier fühlt man sich wohl.
Das Militär ist hier sehr präsent. Wir sind nur wenige Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Schauen wir rechts auf die Hügel, sehen wir alle paar Kilometer eine Grenzstation. Die Grenze ist seitens der Türkei sehr gesichert. Ab und zu kommen uns Militärkonvois entgegen. Später in Dogubayazit kommen wir an einer Panzergarnison vorbei. Für Europäer, der solche Grenzen nur noch wenig kennt, ein sehr ungewohntes Bild. Bald kommen wir in die erste Militärkontrolle. Wie alle werden wir raus gewunken. Die Soldaten sehen so jung aus. Zum Glück ist aber ein älterer Soldat dabei. Sieht ein bisschen so aus, als wenn die jungen Soldaten üben sollen, wie eine Straßensperre durchgeführt wird. Wir werden aber schnell durch gewunken, als die Soldaten unsere deutschen Kennzeichen sehen.
Die Hotelsuche in Dogubayzit gestaltet sich dieses Mal schwierig. Kurz vor der Einfahrt haben wir unsere Navis suchen lassen und tatsächlich werden einige Hotels angezeigt. Wir einigen uns auf Eines und fahren los. Zunächst die Hauptstraße entlang. Hier finden wir ein Hotel, welches uns aber nach Besichtigung der Zimmer überhaupt nicht zusagt. In einer Nebenstraße, in der Nähe einer kleinen Fußgängerzone soll es noch weitere geben. Wir halten und erkunden in mehrere Richtungen zu Fuß die Umgebung. Aber auch hier eher Hotels der schlechteren Sorte. Also mache ich mich mit Hilfe des Navis noch einmal auf die Suche und Suche und Suche. Das Navi zeigt mir ganz in der Nähe ein Hotel an. Allerdings keine Reklame, kein Hoteleingang an der Straße. Nichts. Ich werde fast wahnsinnig, denn das Navi lügt natürlich nicht. Irgendwann stelle ich mich an den Straßenrand und lasse meinen Blick schweifen. Durch eine große Einfahrt neben einer Apotheke sehe ich endlich das Hotel. Es liegt ca. 50 m von der Hauptstraße zurück auf eine Art Innenhof.
Jetzt nur noch schnell den Jungs Bescheid sagen. Die haben es sich zwischenzeitlich mit einem Eis gemütlich gemacht und beantworten die üblichen Fragen der neugierigen Stadtjugend. Woher, wohin, wie teuer ist das Moped usw. Ich erkläre den Weg und mache mich schon mal auf den Weg. Beim Abladen sehe ich, wie die Beiden doch tatsächlich an der Einfahrt vorbei fahren. Warum sollen es denen besser gehen als mir. Ein netter Hotelangestellte läuft die Straße hinterher und so kommen die beiden auch noch zum Hotel. Die Zimmer sind ok. Der Blick auf den Ararat vom Fenster atemberaubend. Direkt daneben der kleine Ararat.
ararat.jpg
Nachts steht der Muezzin direkt bei mir im Zimmer. Den Eindruck kann man auf jeden Fall gewinnen. Mittlerweile sind wir uns ja daran gewöhnt, das auch nachts zum Gebet gerufen wird. Dummerweise liegt die Moschee genau 20 m Luftlinie neben dem Hotel. Da steht man schon mal senkrecht im Bett.
Bergfest. Wir sind am östlichsten Punkt unserer Reise angekommen und haben auch die Hälfte der Zeit um. Da sollte doch der eine oder andere Raki für fällig sein. Ausgerechnet jetzt habe ich eine dicke Erkältung und gehe um 08:00 Uhr ins Bett. Klasse Feier.
Die Stadt Dogubayzit liegt nur wenige Kilometer von Ararat und ungefähr 35 km von der iranischen Grenze entfernt. Heute leben wieder ca. 70.000 Menschen in der, während des russisch-türkischen Krieges 1914 fast vollständig zerstörten Stadt. Mittlerwile ist die Stadt wider an gleicher Stelle aufgebaut und ein wichtiger Transitknotenpunkt zwischen den östlichen Ländern und der westlichen Hemisphäre. Diese Funktion führte er schon im 8. Jahrhundert v. Chr. als Rastplatz zwischen dem Kaukasus, dem Iran und Kleinasien aus.
Nach dem Untergang von Urartu wechselten die Herrscher wie die Perser und Alexander der Große, die Armenier und Römer, die Araber und Byzanz, die Osmanen und Mongolen. Der Mongolenfürsten Bayazit Han, befestigte die Festung besonders im 14. Jahrhundert. Von ihm stammt auch der Stadtname. Während der osmanischen Herrscherzeit lies der Verwalter der Osmanen, Ishak Pascha, ab 1685 den nach ihm benannten, berühmten Palast errichten. seit 1980 wird dieser Palst renoviert und ist neben dem Ararat natürlich ein "Must see" für jeden Touristen.

[Schwager] Versuchen den Nemrut Daghi per Moped zu erklimmen. Bei 2470 m setzt der Schnee uns die Grenze. Ein "Van-sinns" Blick von hier oben auf den riesigen See und die umliegenden hohen Berge. Im Sommer ist der Aufstieg sicher auch mit einer Strassenmaschine zu machen - jetzt reicht nicht einmal eine Enduro. Meine Guzzi war wohl noch müde am Morgen. Sie legte sich beim Abstieg an einer Engstelle sanft in den Schnee. Zu Dritt haben wir ihr wieder auf die Beine geholfen. Weiter nach Dogubeyazit am Ararat mit seinem kleineren Bruder.
Immer am Van - See entlang, ca. 160 Km. Über eine Passstraße bis auf 2644 m und dann sahen wir ihn, den Berg unserer Urahnen - leider war die Spitze in den Wolken. Nach der erfolgreichen Hotelsuche und Einzug schwingen wir uns nochmal auf Moped und Besichtigen ein Sultanssitz in den nahen Bergen. Ein gut erhaltenes Schloss ohne Inventar - das erste Mal im Harem: Nüms in Hus! Ich bin wohl mindestens ein Jahrhundert zu spät. Zurück, Abendessen - Christoph hat keinen Hunger! - er kämpf mit seiner Erkältung. So bleibt es bei unserem Bergfest (Tourhalbzeit) bei einem Bier auf der Stube.
pass.jpg
[Thomas] Der heutige Tag sollte eigentlich mit einem Highlight beginnen. Geplant war die 13 km lange Auffahrt zum ca. 3000 m hohen Nemrut Dagi (dem 2. Berggipfel diese Namens, wer die Berichte genau gelesen hat, kann sich noch an den ersten, den mit den Königsthronen, erinnern). Dieser Gipfel ist eigentlich keiner mehr, denn er wurde von einem Vulkan weggesprengt und seine Caldera hat einen Durchmesser von unglaublichen 7 km. Darin hat sich der größte Vulkankratersee der Welt angesammelt. Ein "must-see-bevor-you-die" wie unser netter Portier im Hotel sagte. Allerdings sagte er uns nicht, dass die Straße im oberen Bereich noch mit Schnee bedeckt ist und selbst unsere G(elände)S(traßen)-Moppeds da nicht durchkommen. So wurde leider nur ein Light daraus, aber wir haben einen Grund zurückzukommen. Dennoch genossen wir den phantastischen Ausblick auf den Van-See, der übrigens auch durch den Vulkanausbruch entstanden ist, als seine Lavamassen den Flusslauf versperrten und so diesen gewaltigen See anstauten.
Es folgte die Umrundung des Van-Sees auf der Nordroute. Der See ist fünfmal so groß wie der Bodensee und dies lässt erahnen, wie lange eine viertel Runde dauert. Zum Glück ist die Straße vierspurig ausgebaut, in einem hervorragenden Zustand und die reinste Rennstrecke, die sich in sanften Kurven am Ufer entlang schlängelt. Bei einer Snack. Pause direkt am See, genießen wir die herrliche Aussicht auf die schneebedeckten Berge im Osten und werden uns bewusst, dass auf deren Gipfeln der Iran beginnt.
Wir verlassen den See bei Biltis und fahren Richtung Nordosten zu unserem heutigen Ziel Dogubayazit am Fuße des Ararat. Die kurvenreiche Strecke schlängelt sich zunächst einen Berg hinauf. Die Landschaft hier erinnert mich sehr an Island. Nur karges, mit gelben und weißen Flechten bemaltes Felsgestein und erste zaghafte Versuche von nur wenigen Zentimeter hohen, in unterschiedlichsten Grüntönen schimmernden Pflänzchen bedecken die Erde. Oben angekommen passieren wir unseren höchsten Pass auf dieser Tour. 2644 m zeigt mein Höhenmesser. Bei der anschließenden Abfahrt erlebe ich ein völlig neues Fahrvergnügen. Ein Hagelschauer bricht ganz plötzlich über mich herein. Zum Glück habe ich die Regenjacke bereits an spüre die erbsengroßen Eiskörner nur an meine Händen, denn die stecken noch in meinen dünnen, kurzfingrigen Sommerhandschuhen.
Im Tal angekommen fahren wir auch schon in Dogubeyazit ein und haben ein weiteres Highlight, den 5137 m hohen Ararat und damit den östlichsten Punkt unserer Reise, erreicht. Es ist der höchste Berg der Türkei und der Berg, an dem Noahs Arche nach der Sintflut gestrandet sein soll. Auch wenn der Ararat heute in der Türkei liegt, ist er das Nationalsymbol der Armenier. Die Türkei protestierte mit dem Hinweis, dass der Berg auf türkischem Territorium liege und deshalb nicht von Armenien oder der Sowjetunion vereinnahmt werden dürfe. Der sowjetische Außenminister Gromyko konterte später mit dem Hinweis, dass im Gegensatz dazu die Türkei den Mond als eine Mondsichel in der Flagge führe, obwohl weder der Mond noch ein Teil davon zur Türkei gehörten.
Bevor wir uns zum Abendessen aufmachen, besuchen wir noch den hoch über der Stadt auf einer Bergspitze thronenden Ishak-Pascha-Palast, ein zwischen 1685 und 1784 erbauter burgähnlicher Bau des osmanischen Emirs von Dogubayzit, der hier mit seinem Harem in reinstem Luxus lebte. Ob er die Haremsdamen bei dieser grandiosen Aussicht aus allen Zimmern überhaupt oft zu Gesicht bekam, muss allerdings bezweifelt werden.
Eigentlich haben wir ja heute Bergfest und wollten kräftig feiern, doch daraus wird nichts, da unser Reiseleiter leider mit einer Grippe ins Bett muss. Wir holen das nach und wünschen gute, schnelle Besserung.
 
Christoph Lipjes

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Teil 21
Nur nach Kars 17.05.2012


[Christoph] Wir sind erst spät aufgebrochen. Es sollten nur ca. 220 km heute werden. Durch die Androhung von oben wurde es noch kürzer. Zunächst kommen wir gut über die 975.01 und 080.05 voran. Wir sehen den wolkenverhangenen Ararat noch einmal von der anderen Seite, bevor wir mal wieder auf eine Hochebene weiterfahren. Bei Calpala sind wir sehr dicht an der armenischen Grenze heran gekommen. Hier sind die Grenzbefestigungen eher klein. Ab und zu sieht man einen Turm auf der armenischen Seite. Türkische Beobachtungsposten habe ich überhaupt nicht gesehen. Obwohl sich beide Staaten traditionell nicht besonders gut verstehen, scheint hier alles etwas entspannter zu sein. Hinter Halikisala biegen wir auf die D-070 ein und folgen ihr bis Kars. Die Landschaft ist hier definitiv nicht mehr wie im Westen. Wir fahren ständig auf ca. 1500m Höhe. Dementsprechend karg ist die Landschaft. Bäume sieht man, wenn überhaupt nur in der Nähe von Ortschaften. Wälder habe ich hier keine gesehen. Hier ist das Land der Schafe, Kühe und Ziegen. Diese finden auf den weiten Hochebenen noch ihr Futter.
ararat.jpg
Im kleinen Ort Digor legen wir eine Mittagspause ein. Dieses Städtchen mit ca. 3.000 Einwohner wurde erst 1915 gegründet. Die Straßen sind anscheinend seit dieser Zeit auch nicht gemacht worden. Im ganzen Ort ist es staubig. Kehren lohnt nicht, das der ständig wehende Wind allen Bemühungen ein schnelles Ende bereitet. Dafür sehen wir einen Bewässerungswagen durch die Straßen fahren. Nach einer kurzen Suche steigen wir vor einem kleinen Lokanta ab. Der Wirt ist sehr nett und sehr bemüht um uns. Wir essen Şiş Kebab vom Grill. Sehr lecker. Draußen fummelt ein Mann an meinem Navi herum. Das gefällt mir nicht und selbst gutes zureden hilft nicht. Die umstehenden Männer beschwichtigen mich, scheint der Mann nicht unbedingt Herr seiner Sinne zu sein. Irgendwann lässt er vom Navi ab und wir können in Ruhe essen.
Endlich fängt es auch an zu regnen, so dass wir losfahren können. Man lässt ja nichts aus. Da es mir immer noch nicht gut geht, fahre ich hinterher und kann so von hinten sehen, welche beindruckenden Schräglagen auch auf geraden Strecken möglich sind. Der Wind pfeift die weiten Hänge herunter und versucht uns immer wieder Richtung Straßenrand zu schieben. Schnell wird klar, dass wir bei diesem Wetter Ani, die alte Hauptstadt der Armenier heute nicht besichtigen. Wir fahren lieber weiter nach Kars und finden ein nettes Hotel. Dieses Mal vollkommen ungeplant. Wir umrunden eine große Kaserne mitten in der Stadt, fahren an einer großen Schule vorbei, aus der gerade die Schüler mit ihrer schwarzen Einheitsuniform strömen und kommen dann auf die zentrale Straße von Kars. Hier halten wir vor dem ersten Hotel. Der Portier spricht französisch und unverhofft kann Thomas seine Kenntnisse aufpolieren. Schnell haben wir drei gute Zimmer gefunden. Mir geht es inzwischen immer schlechter. Imodium hilft nicht mehr. Die Toilette wird mein bester Freund und die Jungs bringen mir vom Supermarkt Cola und Salzstangen mit. Danach melde ich mich ab. Die Hühnersuppe, die mir der Koch extra zubereitet, verfehlt leider die gewünschte Wirkung.
regen1.jpg
Kars liegt fast auf 1800 m Höhe und besticht nicht gerade durch seinen Charme. Rundherum gibt es nahezu ausschließlich Hochebene oder eben Berge. Farblich herrscht hier Ocker bis dunkelbraun. Die Straßen sind schachbrettartig angelegt. Diese Anlage stammt noch von den Russen. Ebenso die die Fassaden der Häuser. Die kleinbürgerlichen Häuser der Russen prägten einstmals das Stadtbild. Wir sehen davon nur noch wenige, schlecht erhaltende Gebäude. Vielmehr herrschen Einheitsgebäude Marke Sozialbau vor. Auch hier ist es unglaublich staubig. Die Straße vor dem Hotel ist mit hupenden Autos verstaubt und die Abgase tun ihr übriges. Knapp 50 km entfernt liegt Armenien. Der türkische Künstler Mehmet Aksoy gestaltete ein 35m hohes Monument der Menschlichkeit. Zwei Figuren sind zueinander gewandt und sollen die Aussöhnung mit Armenien symbolisieren. Ministerpräsident Erdogan kommt 2011 nach Kars, sieht das Monument und befiehlt den Abriss. Es sei ein "Monstrum". Offiziell hiss es: "Das Mahnmal überschatte die Grabstätte des Sufi-Heiligen Hasan Harakani und eine Moschee." Tja, so weit geht die künstlerische Freiheit jetzt doch nicht.
[Thomas]Damit sich Christoph etwas länger auskurieren kann und wir endlich nochmal die Fotos und Website aktualisieren können, beschließen wir einen Arbeitsvormittag einzulegen.
Es steht eh nur die kurze Fahrt nach Kars an (schlappe 200 km). Aber die hat es in sich. Zunächst geht es hinunter in eine Ebene mit wieder fast 30 Grad und dann wird der Himmel über uns plötzlich finster. Aber wie bisher haben wir viel Glück und kurven bergauf, immer zwischen den riesigen, sich heftig ausweinenden Regenwolken links und rechts der Straße hindurch und bekommen außer ein paar kleinen Tröpfchen mal wieder nichts ab. Als wir wieder auf 2000 m sind, fühlen wir uns plötzlich wie in Patagonien (da wo der Wind pfeift). Es bläst uns ein heftiger Sturm mit gefühlten 120 km/h frontal in die linke Seite. Nur mit gefühlter 30 Grad Schräglage und Tempo 100 kann ich den Bock auf der Straße halten. Sowas habe ich noch nie erlebt. Aber wir meistern diese Herausforderung und biegen in ein kleines Dorf zum späten Mittagessen ab.
Nachdem sich Sturm und Regenwolken verflüchtigt haben, gehen wir die letzte Etappe nach Kars an und finden gleich ein recht ordentliches Hotel an der Hauptstraße. Endlich kann auch ich mal meine Sprachkenntnisse anwenden, denn ici ons parlent francais (ist das so richtig?). Jedenfalls haben sie mich verstanden und nach einer Verhandlungsrunde sogar den Zimmerpreis noch um 10 TL reduziert.
Da sich Christoph zur Verbesserung seines allgemeinen Wohlbefindens gleich ins Bett legt, drehen Schwager und ich alleine eine Runde durch die quirlige Stadt, die wie wir erfahren haben einmal zu Russland gehörte und erst 1917 von den Türken zurückerobert wurde. Der russische Einschlag ist auch überall zu spüren. Kein Muselmann singt stundenlang so für sich dahin, nirgends gibt es mit Kopftüchern bedeckte Frauen und hupen können sie hier wie in Italien.
 
Christoph Lipjes

Christoph Lipjes

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Teil 22

Ani, Stadt der Armenier 18.05.2012


[Christoph] Schade, darauf hatte ich mich gefreut. In der Planung war diese Stadt einer meiner "Must be" Plätze. Mein Magen macht mir ein Strich durch die Rechnung. Ernsthaft überlege ich einen Arzt aufzusuchen. Zum Glück sagt der Hotelier seinem Koch, er solle für mich Kartoffeln kochen. Mit ein wenig Salz und viel Cola verputze ich gefühlte zwei Kilo Kartoffeln. Das war mit Abstand die ausgefallenste Mahlzeit der ganzen Türkei. Aber; wat hilft dat hilft. Am nächsten Morgen ging es mir schon wesentlich besser. Ich konnte mit den Jungs weiterfahren. Aber zurück zum heutigen Ausflug:
Neben ein paar Grenzsoldaten, Anwohnern des Nachbardorfes Ocaklı und vereinzelten Touristen kommt niemand mehr in die ehemalige Hauptstadt der Armenier. Schon im 5. Jahrhundert gab es hier eine Festung. König Achot III. machte Ani 961 zur Hauptstadt seines armenischen Königreiches. Hier soll es über 100.000 Einwohner gegeben haben. Weithin war sie als Stadt der 1001 Kirchen bekannt. Nach 1534 war Ani Teil des Osmanischen Reiches und gehörte zwischen 1878 und 1917 zu Russland.
[Schwager]Frühstück wie immer - Christoph bleibt wieder im Bett, fühlt sich immer noch nicht gut. Kars mit 70.000 Einwohnern und leicht westlichem Flair. Einen Muezzin haben wir hier noch nicht gehört und im Gegensatz zu 50 Km vorher tragen die Frauen hier kein Kopftuch, geschweige denn eine Burka - verblüffend! Offensichtlich ist der armenisch, christliche Einfluss. Thomas und ich machen einen Ausflug zu den Ruinen der Festung/Stadt Ani an der alten Seidenstraße, direkt an der Grenze zu Armenien. Eine Schlucht mit Fluss bildet die Grenze. Drüben konnten wir die Wachtürme sehen. 100.000 Menschen haben hier einmal gelebt.
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[Thomas] Da Christoph einen Genesungstag beantragt hat, bleiben wir noch einen weiteren Tag in Kars. Schwager und ich nutzen die Zeit um uns das 42 km entfernte Ani anzuschauen. Ani ist die seit mehr als 300 Jahren verlassene und heute in Ruinen liegende, ehemalige armenische Hauptstadt. Sie liegt auf einem ca. 1400 m hohen und von einer Schlucht umgebenen Plateau. Der Fluss Arpacay, der die Schlucht geformt hat, bildet heute die Grenze zu Armenien.
Über eine 4-spurig ausgebaute Straße, scheinbar erwartet man bald unzählige Touristenströme, und einen 2000m hohen Pass, erreichen wir Ani in knapp 30 Minuten. Hin und wieder liegt links oder rechts ein kleines Bauerndorf. Obwohl die Hütten teilweise recht erbärmlich aussehen, blitzt vor manchen ein nagelneuer Traktor.
Ani ist seit dem 5. Jahrhundert als armenische Festung bekannt. Zu ihrer Glanzzeit unter den Byzantinern um das Jahr 1000 war die Stadt ein bedeutendes Handelszentrum an der Seidenstraße und beherbergte 100.000 Menschen. Kurze Zeit später wurde Ani erst von den Seldschuken (Islamisten), dann von den Georgiern (Christen) und schließlich 1239 von den Mongolen erobert. Um dem ständigen Eroberungskriegen ein Ende zu bereiten, wurde die Stadt 1319 durch ein Erdbeben zerstört und die Einwohnerzahl nach stetig ab.
Heute ist Ani nur noch ein großes Ruinenfeld. Auf dem riesigen Gelände sind noch Teile der Stadtmauer und einige, teilweise erhaltene Kirchen zu sehen. Ani war nämlich auch als die Stadt der 1001 Kirchen bekannt, von denen tatsächlich einige überlebt haben. Da aber für die Erhaltung keine Mittel vorhanden sind, sind auch diese dem Verfall preisgegeben und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis deren Zahn sich auch den Rest des Gebäudes einverleibt hat.
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- - - Aktualisiert - - -

Teil 23

Wunderschöne Strecke 19.05.2012


[Christoph] Das Frühstück schmeckt schon wieder. Die Kartoffeln werde ich wohl nie vergessen. Danke nochmal. Der Rückweg hat begonnen. Die Heimat rückt wieder näher. Zum Glück sind es bis dahin noch etliche tausend Kilometer. Wir packen auf und sind schnell raus aus dem hektischen Kars. Kurz halten wir uns an die D-965 Richtung Norden und biegen auf die D-60 ab.
Wir sind schon bald auf der kleinen Landstraße Richtung Westen unterwegs. Wir fahren jetzt in die ersten Ausläufer des ostpontnischen Gebirges, dem Kaçkar Dağları, welches sich ca. 400km parallel zur Küste des Schwarzen Meeres zieht. Das Gebirge ist Teil des pontnischen Gebirges, das sich nochmals weitere 600 km am Schwarzen Meer entlang zieht, ist aber wesentlich zergliederter als der Rest des Gebirges und geographisch sehr interessant. Hier steigen die Gipfel bis auf 3.900 Meter auf.
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Hinter Göle fahren wir durch ein wunderbares Tal. An jeder zweiten Ecke möchten wir anhalten um zu fotografieren. Neben uns fließt ein wilder Fluss. Auf der anderen Seite sehen wir mehrere Bauernhöfe und wundern uns schon, wie die wohl über den Fluss kommen. Kurze Zeit später wissen wir es. Es gibt kleine Brücken. Die sehen von der Breite zwar so aus, als wenn hier Autos fahren können, aber sicher bin ich mir nicht. Mutig läuft der Schwager über solch eine Brücke. Ganz geheuer ist mir das nicht. Falls es mal nicht zu einer Brücke reicht, kann man ja immer mit der Seilbahn übersetzen. Bei Yolbuyu biegen wir ab und bleiben dadurch weiter auf der D-60. Was soll ich sagen. Wir fahren ein kleines Tal entlang und ich bin froh hier fahren zu dürfen. Wir kommen durch mehrere kleine Dörfer, die manchmal nur aus ein paar Häusern bestehen. Eine wunderbare Gegend. Die kleinen Burgen, die wir manchmal in der Ferne sehen sollen georgischen Ursprungs sein und wohl vor der Eroberung durch die Osmanen im 16. Jahrhundert gebaut wurden.
toilette.jpg
In Tasliköy (Steindorf) gibt es noch praktische Toiletten, direkt am Fluss. Ob die noch jemand benutzt, möchte ich aber stark bezweifeln. Irgendwann verlassen wir die D-60 und biegen auf die D-950 ein. Die Straße wird kleiner und nach dem nächsten Abbiegen auch namenlos. Unsere Mittagspause machen wir dann in Yusufeli.
Yusufeli liegt auf knapp 1050 Höhenmetern und im Sommer treffen sich hier eine Menge Rafter und Trecker um auf den Flüssen, bzw. in den Bergen ihrem Hobby nachzugehen. Außerdem auch ein guter Ausgangspunkt um die verschiedenen georgischen Kirchen, die hier in mehreren Tälern stehen zu besichtigen. Ob es aber noch lange existiert ist fraglich. Auch hier wird ein Staudamm gebaut, an dem wir später noch vorbei kommen. Er wird das heutige Yusufeli verschlucken, ein neuer Standort ist schon gefunden. Ca. 16.000 Menschen müssen in den nächsten Jahren umgesiedelt werden. Zunächst suchen wir uns aber ein nettes Lokal und schauen aus dem ersten Stock auf die kleine Stadt und den lebhaften Verkehr. Nach dem Essen genießen wir mal wieder ein leckeres Eis von einem namhaften deutschen Hersteller von Stileis. Schmeckt wie zu Hause, kostet aber weniger als die Hälfte. Wir werden beim Eisschlecken natürlich gefragt wo es lang geht und bekommen von ein paar Leuten erzählt, dass die nächsten 80 km echt bescheiden werden. Na ja, was die so erzählen. Die fahren halt keine GS.
Nach der Pause fahren wir die Straße weiter auf der wir gekommen sind. Wir kommen wieder in ein super schönes Tal, sind aber leider auf der falschen Straße unterwegs. Also zurück und bei der örtlichen Garnison mal nach dem richtigen Weg fragen. Die Wachsoldaten wissen leider auch nicht wo es lang geht. Erst ein Offizier weist uns den richtigen Weg. In Yusufeli einmal links abgebogen und wir sind im richtigen Tal. Das Wetter zeigt sich mittlerweile mal wieder von der dunklen Seite. Ständig schauen wir nach oben und hoffen dem Regen zu entkommen. Es klappt.

Die ersten 40 km sind noch ganz ok. Die Straßen sind sehr schlecht, da auf halben Weg nach Ispir in diesem Tal eine Talsperre gebaut wird. Eine Erneuerung des Straßenbelags lohnt wohl nicht mehr. Hier werden wieder einmal die Stoßdämpfer getestet. Erstaunlich, was die so aushalten. Bei manchen Halt schaue ich mir erst einmal die Felgen an, weil ich mir sicher bin, dass sie jetzt einen wirklich dicken Seiten- oder Höhenschlag haben. Zum Glück sieht man ihnen nichts an. Der Geradelauf ist weiterhin astrein.
Dann die Talsperre und ein Tunnel, schwarz wie die Nacht. Obwohl schon sehr langsam, lege ich mich nach ca. 200m im Tunnel hin. Der Boden ist wie Schmierseife. Damit es nicht so staubt, wird wohl regelmäßig gewässert. Draußen trocknet die Straße wohl schnell wieder ab. Aber im Tunnel fehlt es vor allem an einem; Sonne. Also zentimetertiefe Matsche und ich mittendrin. Mein Satz des Tages: "Es geht oft schneller als man denkt". Gedacht habe ich eigentlich gar nicht. Lag nur von einem Augenblick auf den nächsten im schwarzen Tunnel auf dem Bart. Manchmal sind Reflexe doch was Tolles. Sofort Warnblinker an und Notaus gedrückt. Zum Glück ist der entgegenkommende Minibus sehr langsam. Die beiden Kollegen springen raus und helfen mir sofort auf. Ansonsten ist nichts passiert. Eine kurze Frage nach dem Woher und Wohin. Und das Ganze mitten im schwarzen Tunnel. Schon witzig. Die Kollegen informieren mich, dass ganz in der Nähe, direkt beim dem Staudamm ein Krankenhaus eingerichtet wurde. Klar, scheint wohl öfter einmal ein Unfall zu passieren. Mittlerweile sind Thomas und der Schwager natürlich auch schon da und ich lass die beiden mal lässig durch den Tunnel vorfahren. Im nachhinein hatte ich wirklich Glück. Ca. zehn Minuten später kommt uns eine Kolone schwerer LKW entgegen. Wenn die an Stelle des Mninibus im Tunnel gewesen wären...
Und weiter geht's. Nach ein paar Kilometern dann eine Pause mit Çay, bei einer netten Familie, die noch Instandhaltungsarbeiten vor ihrem Bakal macht, obwohl sie wissen, dass in ein paar Jahren alles überflutet ist.
Wir beobachten einen echten Generationenkonflikt. Ein junger Mann, vielleicht der Enkel in der Familie, steht neben einer Schubkarre und stützt sich elegant auf einer Schaufel ab. Leider kann er dabei keine SMS auf dem Handy schreiben und so steckt die eine Hand tief in der Hosentasche. Die Oma kommt vorbei, sieht die Misere des Jungen, nimmt ihm die Schaufel ab und zeigt dem Jungen was man so mit einer Schaufel alles machen kann. In diesem Fall schippt sie mit Schwung den Zement in die Schubkarre. Der Enkel endlich befreit von der Schaufel, holt sein Handy raus und schreibt wahrscheinlich erst einmal eine Mail über seinen heldenhaften Arbeitseinsatz. Irgendwann wird es der Oma aber zu dumm und alle bekommen ihr Fett weg. Jetzt zeigt sie noch wie der Zement vernünftig verteilt wird und sogar der Enkel ist bei der Arbeit. Aber Eifer ist nicht seine Stärke. Die ältere Schwester hat uns zwischenzeitlich mit Tee versorgt. Ich frage sie noch, wer denn der Junge sei und sie meint nur, dass dies kein echter türkischer Mann sei. Da bin ich mir nicht so sicher, bei älteren Exemplaren haben wir ähnliches Verhalten tendenziell auch gesehen.
Die letzten Kilometer auf der "Baustelle" sind dann auch irgendwann abgespult und wir fahren gegen 19:00 Uhr in Ispir ein. Hier scheint es nur ein Hotel zu geben. Bis auf ein Zimmer für drei Personen ist aber alles voll und so fahren wir noch etwas weiter. Das Navi zeigt noch knapp 90 km bis Rize am Schwarzen Meer. Allerdings Luftlinie und so beschließen wir dann doch nicht Nachts durch die Berge zu fahren. Wir drehen und sehen auf dem Rückweg ein Schild: Otel. Also schnell angehalten und nachgefragt. Einzelzimmer gibt es, Dusche und Toilette sind auf dem Gang. Die preisgünstigste Übernachtung der Türkei. Nach der kalten Dusche geht es runter ins Restaurant auf ein Bier und etwas zu essen. Die Jungs vom "Otel" haben sich gerade etwas zu essen gemacht und laden uns dazu ein. Soviel wir herausbekommen, ist es Gries mit Käse und darüber Honig. Das Ganze wird mit Brot auf getunkt und schmeckt sehr lecker. Ein typisches Gericht aus der Region erfahren wir auf Nachfrage. Hinterher haben wir ein schlechtes Gewissen, denn wir haben uns wahrscheinlich an dem Abendessen der Jungs vergriffen.
[Schwager] Christoph fühlt sich gut genug, um weiter zu fahren: Nach Ispir haben wir es nur geschafft. Wir haben gelernt, doch auf andere Touristen zu hören. Auf der direkten Strecke hatten sie uns 80 Km Baustelle versprochen. Aber, wie immer, man darf nur die Hälfte glauben - es waren nur 40 Km! - Für mich im 1. und 2. Gang. Die Strecke war eigentlich schön durch die Berge; aber die Konzentration auf die "Strasse" ließ wenig Seitenblicke zu.
bruecke.jpg
[Thomas] Als Christoph die Alternative verinnerlicht hatte, noch einen Tag hier zu bleiben, auf zahlreiche Highlights zu verzichten und uns alleine ziehen zu lassen, zog er es vor schnell wieder zu gesunden und wir starten gemeinsam Richtung Westen. Eigentlich ist Uzungöl, ein landschaftlich schön gelegener kleiner Ort in den Bergen der Schwarzmeerküste, unser Tagesziel, aber es sollte anders kommen.
Bevor es losgeht, aber erst einmal ein Schock. Am Abend vorher hatten wir unsere total versauten Mopeds an der Tankstelle blitzeblank geputzt und sind entsetzt heute Morgen feststellen zu müssen, dass sie mit einer dicken, schwarzen Rußschicht überzogen sind. Schnell wird mir wieder klar, warum ich diese Moloch-Städte nicht mag.
Die folgende Fahrt über die Hochebene von Kars lässt den Ruß schnell vergessen. Nach kurzer Zeit haben wir den ersten Pass in knapp 2100 m erreicht und sind der schwülen Hitze von Kars entflohen. Schnell realisieren wir, dass heute mal wieder Traumstraßen auf uns warten. Aber nicht nur von der schlangenlinienförmigen Strecke sind wir begeistert, sondern auch von der einmaligen Landschaft. Zunächst genießen wir die karge Hochebene, die sich urplötzlich in einen kurvigen Schwarzwald verwandelt und an die Heimat erinnert. Dazu tragen auch die Burgruinen bei, die ab und zu auf den Felsvorsprüngen zu erkennen sind.
Bald darauf schaukelt sich die Straße an einem Fluss entlang zunächst in ein saftig grünes Tal hinunter, das sich nach einigen Kilometern in eine dramatische Schlucht verwandelt. Die Kulisse, die wir jetzt über eine Stunde hinweg in uns aufsaugen, ist einfach unbeschreiblich und atemberaubend. Nach jeder Kurve heißt es Auge an Großhirn: Fotomotiv. Dann Großhirn an Hand und Fuß: Bremsen. Nur langsam kommen wir voran und sind heilfroh drei Biker zu sein, die auch die herrliche Landschaft bei zahlreichen Fotostopps in sich aufsaugen möchten, denn sonst hätte sich die Truppe sicher längst in dickster Luft getrennt.
In Yusufeli, einer kleinen, quirligen Stadt auf halber Strecke, meldet plötzlich der Magen ans Großhirn: Hunger. Nach dem kurzen Mittagessen geht es weiter und bei gleich bleibender Kulisse wechselt jetzt die Straße vom Traum zum Albtraum. Verursacht durch ein riesiges Staudammprojekt, dem diese gesamte nun folgende, vor bizarren Felsformationen nur so strotzende und in verschiedensten Farben leuchtende Schlucht Zum Opfer fallen wird, haben 1.000de Mercedes Actros LKWs die Straße in eine schmodderige Schlaglochpiste verwandelt. 40 quälende km lang springen wir mit unseren Bikes von Loch zu Loch und es ist fast unmöglich mal eines auszulassen. Entschädigt werden wir mit einer spektakulären Kulisse und ohne, dass unsere Stimmung darunter leidet. Immer wieder speichern wir das Gesehene auf unseren SDHC-Chips ab.
Auf halber Strecke bemerken wir einen kleinen Campingplatz direkt am Straßenrand. Eine kleine, offene Hütte lädt zur Pause ein. Eine Familie (Mama, Papa (beide steinalt) und insbesondere Tochter kümmern sich liebevoll um uns und servieren Tee auf Tee. Zwischendurch versuchen sie eine LKW-Ladung Beton mit rostiger Schubkarre und krummer Schaufel vor ihren Eingangsbereich auszubreiten um einigermaßen matschfreien Fußes ihr Gelände betreten zu können. Mit Tränen in den Augen erzählt uns die Tochter, dass sie der Staudamm bald von hier, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hat, vertreiben wird und dass auch ihre Mutter sehr traurig darüber ist. Dennoch haben sie sich ihre Lebensfreude nicht nehmen lassen, wie auch die Fotos zeigen und wir lachen viel gemeinsam, obwohl wir uns sprachlich nicht gut verstehen.
Der letzte Teil der Strecke wird dann zum Glück etwas besser und wir erreichen bei anbrechender Dunkelheit den nächsten Ort. Die Inspektion der beiden Hotels ergibt nichts Gutes und wir beschließen weiter zu fahren. Schnell merken wir jedoch, dass die nächsten Hotels mehr als 100 km entfernt sind und wir bei der Dunkelheit nicht mehr so weit fahren möchten. Wie bestellt steht an der Straße eine alte Holzhütte mit einem kleinen, halb verdunkelten Hotelschild davor und die Entscheidung steht. Wir müssen sie nicht bereuen. Es gibt drei Zimmer für zusammen 30€, ein leckeres landestypisches Abendessen im Kreise der Besitzer (Gries mit Butter und Honig, das Ganze mit Käse überbacken und schmeckt hervorragend), schnelles Internet und ein Fernsehgerät mit Champions League live vor deutsch-türkischem Publikum. Was wollen wir mehr.
 
Nordwind

Nordwind

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132
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im hohen Norden
Modell
R 1200 GS
Moin Christoph

Lese immer wieder gerne deine Berichte.
Mal eine Frage:
Da wir dieses Jahr im August/September die Route annähernd gleich fahren wollen, welche Übernachtungsmöglichkeiten kannst du empfehlen und welche sollten wir meiden ?
 
Thema:

Türkei Reisebericht 2012

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