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Ich hab die beiden "Top-Tests" in der MOTORRAD gefunden. Unter der Annahme, dass wenigstens die Messwerte stimmen,
hier die vom Handling-Parcours:
Rundenzeit: Tiger 19,8s; 650GS 21,2s
Vmax Messpunkt: Tiger 114,4km/h; 650GS 99,5km/h
Dabei habe ich mir die Drehmomentkurven mit angesehen:
Es stimmt tatsächlich, die Tiger ist beim Drehmoment nur obenraus besser.
"Obenraus" beginnt in dem Fall aber bereits bei knapp 3500/min
Viele Grüße und noch viel Spaß mit Eurem "Fortgeschrittenenmotorrad"
Edi
Hallo Edi, ich finde das Gesamtpaket der kleinen 798 GS ganz gelungen, gerade im Vergleich zur Einsteiger Tiger 800. Es ging mir bei der Wahl des Motorrads in erster Linie um 'Enduro-Feeling' gepaart mit Unkompliziertheit, Alltagstauglichkeit und Sicherheit, was entspanntes Fahren gewährleisten sollte, also etwas höherer und vor allem aufrechter Sitz, ausreichend Federweg für unbefestigte Wege, einfaches Handling, ausreichende Motorleistung mit einer Charakteristik, die entspanntes Fahren zuläßt, also unten genügend Drehmoment, ausreichend Elastizität, kurze Bremswege etc.
Die Motoren der beiden unterscheiden sich bis auf eine Ausnahme nach meinem Dafürhalten bis ca. 6.000 Umdrehungen nicht signifikant. Bis etwas über 3.500 Umdrehungen hat die GS immer 1-2 Nm oder 1-2 PS mehr als die Tiger, dann kommt leider das kleine Drehmomentloch der GS zwischen ca. 3.800 und 4.500 Umdrehungen. In diesem schmalen Bereich liegt die Tiger dann max. 1-2 PS und 3-4 Nm über der GS, danach gewinnt die GS um 5.000 Umdrehungen noch einmal kurz und kaum meßbar die Oberhand und bis gut 6.000 Umdrehungen nehmen sich beide nichts, während dann der Tigermotor sowohl mit Leistung und Drehmoment vorn liegt.
Mein Fazit zum Motor: bis 6.000 Umdrehung spielen die Unterschiede von 1-2 PS oder 1-2 Nm eigentlich keine Rolle. Schade ist nur, daß die GS das kleine Drehmomentenloch um ca. 4.200 Umdrehungen hat. Dort verliert sie kurz spürbar. Schön finde ich an der GS, daß ich dort in den unteren Gängen und bei relativ moderaten Drehzahlen flott, aber auch entspannt unterwegs sein kann, nicht nur zum Bummeln. Wenn es für meine Verhältnisse sportlicher wird, reicht es auf der längsten Kurvenkombination meiner Hausstrecke, die ca. 3 Kilometer lang ist, wenn ich im 4. Gang im Bereich um das maximale Drehmoment, also ca. von 4.500 bis 6.000 Umdrehungen unterwegs bin, der Gasgriff ersetzt beim 2 Zylinder dann in den meisten Fällen auch die Bremse. Dieses Drehzahlniveau ist akustisch nicht unattraktiv, aber auch nicht nervig. Mehr Leistung bzw. mehr Drehzahl brauche ich eigentlich nur beim Beschleunigungsrennen oder auf der Autobahn. Allerdings reichten mir die 190 km/h der GS bisher, auf so einem Motorrad möchte ich auch nicht die 210 km/h der Tiger fahren, zumal ich auf der Autobahn meist nur notgedrungen und mit Gepäck unterwegs bin. Dafür wäre dann aber eine 1200er, 1300er, 1400er oder 16000er wohl viel besser geeignet, als eine 800er Enduro... Es ist also für mich von Vorteil, wenn ich bei der GS das gleiche maximale Drehmoment schon 2.700 Umdrehungen vor der entsprechenden Drehzahl bei der Tiger abrufen kann und die Maximalleistung schon 2.400 Umdrehungen früher zur Verfügung steht, in einem Bereich, der für die Landstraße perfekt paßt.
Motorseitig bringt mir die Tiger für mein Fahrprofil also keine relevanten Vorteile, allerdings wiegt sie bei vergleichbarer Ausstattung (ABS, HS, Heizgriffe, Kofferträger, Unterfahrschutz etc.) etwa 5-10 kg mehr als meine GS (das kann man sicherlich merken), was auch etwa 10 kg weniger Zuladung entspricht (das ist sicherlich nicht so schlimm, da beide schon ordentlich wegschleppen können). Der Verbrauch liegt auf der Landstraße bei der Tiger ca. 0,5 Liter oder ca. 11 % höher, das leppert sich, erst recht, wenn man die höhere Leistung bei höheren Drehzahlen abrufen will. Dort werden es schnell 1 Liter und mehr werden.
Ganz wichtig finde ich, daß die kleine GS trotz der vielgeschmähten Einscheibenbremse vorn mit stumpfen Bremsverhalten und hohen nötigen Handkräften aus 100 km/h mit 38,9 m Bremsweg schon 3,6 m vor der Tiger 800 mit 42,5 m steht. Die Tiger rauscht also an der stehenden GS mit ca. 30-40 km/h vorbei, um erst knapp 4 m dahinter zum Stehen zu kommen, trotz Doppelscheibenbremse und aufwendigerem Fahrwerk. Daß das Modell der Tiger im Toptest noch kein ABS hatte, spielt unter den Fingern von Toptestern vom Schlage eines Karsten Schwers auf der geraden und sauberen Bremsstrecke mit Sicherheit keine signifikante Rolle. Das ist für mich ein ganz wichtiges Argument für die GS.
Last but not least: Die Tiger mag oben heraus mehr Leistung bieten, bei einem Drehzahlniveau, das viele auf einer Enduro gar nicht haben wollen, auch wenn der Tripple generell und gerade dort weichter läuft als der Twin. Das macht sie im unteren und mittleren Drehzahlbereich aber nicht besser. Dort hat beim Punch der Twin sogar leicht die Nase vorn. Bei Gewicht und Zuladung ist die Tiger sogar etwas schlechter. Die Bremsen sind sogar deutlich schlechter als bei der GS. Dafür zahlt man für eine Tiger 800 bei vergleichbarer Ausstattung (ABS, HS, BC, Heizgriffe, Kofferträger etc.) aber ca. 1.500, vielleicht sogar 2.000 Euro mehr als für die kleine GS (Schlagt micht nicht, ich habe die Preise aus den MOTORRAD-Artikeln zugrunde gelegt und keine aktuellen Händlerpreise recherchiert.).
Alles in allem, die Tiger ist bestimmt ein tolles Motorrad, aber in meinen Augen ein bißchen für ein anderes Publikum gemacht als die kleine GS, auch wenn es nach den Daten nicht so sehr danach aussieht. Für mich paßt die GS besser. Mir ist weniger meist mehr, auch bei der Zahl der Zylinder und vor allem bei der Drehzahl. Und zum Thema Anfängermotorrad: Überleg' mal, wie früher ehrfurchtsvoll auf die ganz schweren 500er mit unglaublichen 45 PS gestarrt wurde, wenn der Platzhirsch mit seinen 10-20 Jahren Motorraderfahrung sich endlich eine leisten konnte. Heute fahren wir ganz 'easy going' eine 800er mit 75 Nm und 71 PS spazieren, als Anfänger und Einsteiger.
Mit gutversorgten Grüße
freshman