Als der liebe Gott das Motorrad erschuf - es war an einem feuchtkalten,
windigen Märzmorgen -, da kamen ihm plötzlich die älteren Menschen in den
Sinn. Die sollten schließlich auch auf seiner neuen Schöpfung fahren.
"Werden sie", sorgte Er sich, "bei Sturm und Nieselregen keine kalten Füße
bekommen?" Das war der Moment, als der Boxermotor erfunden wurde. Links ein
warmer Zylinder, rechts ein warmer Zylinder, dahinter die warmen Füße. Die
Menschen aber jubelten und sprachen: "Er hat uns eine Box-Mich-Warm
geschenkt!" Und sie nannten den Boxer von da an BMW.
Der echte und klassische BMW-Fahrer hat hin und wieder
Durchblutungsstörungen. Das unterstreicht auch die Tatsache, dass kein
anderes Motorrad so oft ab Werk mit Griffheizung ausgeliefert wird.
Eine BMW ist unwiderruflich das Motorrad für die gesetzteren und etablierten
Herrschaften. Zum Leidwesen des Herstellers. Was hat BMW nicht alles
angestellt, um auch den gut durchbluteten Nachwuchs für seine Modelle zu
gewinnen. Doch es half alles nichts: Wer "BMW" sagt meint immer nur: ein
Zylinder links, einer rechts, dahinter warme Füße. Dass sich daran bis heute
nichts geändert hat, liegt natürlich nicht an zu warmen Füßen.
Sondern am eindrucksvollen Kaufpreis. Und selbst wenn man mit Hilfe von
Krediten und der Ausplünderung der gesamten Verwandtschaft die zwanzig
Riesen stemmt - dann werden einen die Inspektions- und Werkstattkosten
ruinieren. Kurz: Wer Probleme mit der Liquidität hat, für den bleibt die BMW
ein schöner Traum, Die Kehrseite der Medaille: Wer eine hat, der schleppt
zeitlebens das Image eines Erbonkels mit sich rum. Das Erbonkel-Image ist
unglaublich zählebig.
Beispiel: Im Fachgeschäft für Motorradbekleidung wird man vom heimtückischen
Verkaufspersonal zu allererst nach der Motorradmarke gefragt. Wer sich
unvorsichtigerweise als BMW-Fahrer outet, für den beginnt die Jackenberatung
bei 500 ? aufwärts. Der potentielle BMW-Fahrer sollte sich also folgende
Reihenfolge immer wieder einhämmern: zuerst Haus bauen, dann Sohn zeugen,
dann Baum pflanzen - und erst danach BMW kaufen! Nun reicht es keineswegs
aus, Kohle zu haben und über 40 zu sein, um ein richtiger BMW-Fahrer zu
sein. Es existieren daneben auch erstaunlich hohe Anforderungen an Charakter
und Intellekt. Man muss sich wundern, warum es noch keinen Führerschein
speziell für BMWs gibt.
Zum Beispiel der Auftritt: Zum gelungenen Auftritt eines Motorradfahrers
gehört unbedingt eine Masse Krawall aus den Auspufftüten. Der BMW-Fahrer,
und insbesondere der Eigner des neuen Vierventil-Boxers, macht aber
ausschließlich solche Erfahrungen:
Du kannst durch die Fußgängerzone braten - kein Schwein guckt. Ziegen, die
in griechischen Bergdörfern mitten auf der Straße in der Sonne dösen,
bewegen sich keinen Millimeter, wenn eine BMW naht.
So leise ist das Motorrad! Wer es aus frühkindlichen Gründen (schwere
Geburt, Vater ein Monster etc.) nötig hat, auf dem Motorrad den röhrenden
Hirschen zu geben, der vergesse die BMW. Man könnte auch sagen, der
BMW-Fahrer muss es intellektuell verkraften, dass "BMW" verschiedene
Bedeutungen hat: Der BMW ist ein vom Image her sportlich-aggressives
Fahrzeug, welches das schwache Ich seines Fahrers beträchtlich aufwertet.
Die BMW dagegen ist ein reines Understatement-Bike. Niemals würde man hier
von "Sport" reden; als Fahrer eines BMW-Motorrades ist man automatisch
"Tourenfahrer".
Andere Motorradfahrer mögen mit ausgeräumten Auspuffrohren und entdrosselten
130 PS durch die City toben und die Blicke der Bräute auf sich ziehen. Der
Fahrer eines BMW-Motorrades hat das nicht nötig, weil er seelisch völlig
gesund und innerlich ausbalanciert ist.
Der typische BMW-Fahrer befindet sich exakt in der Mitte seines Lebens. Ist
die Midlife-Crisis noch nicht angebrochen, dann fährt er eine
klassisch-schwarze Maschine. Steckt er mitten in der Krise, bevorzugt er
Rot. Dann zwängt er seinen inzwischen fülligen Körper auch gern in eine rote
Rennkombi, was ihn zum Gespött der Nachbarschaft macht. Doch was sein muss,
muss sein.
Zeit zum Motorradfahren hat er natürlich nicht - der Job geht vor. Darum
nutzt er die Maschine hin und wieder geschäftlich. Geschäftsfreunden tritt
er dann mit öligem Schuhwerk (aus irgendeinem Grund ölt an der BMW immer
eines: die Kopf- oder die Fußdichtung) und fliegenbeklatschter Lederjacke
gegenüber. In solchen Momenten fühlt er sich jung und gesund. Kluge
Geschäftsfreunde wissen: Das geht vorüber, Gemeinsamkeit unter
seinesgleichen sucht der BMW- Fahrer in einem BMW-Club.
Mit Fahrern anderer Marken verkehrt er ungern. Wildere Motorradtreffen
meidet der BMW-Fahrer, schon weil er unter "Burn-out" nicht abfackelnde
Reifen, sondern eine gefürchtete Managerkrankheit versteht.
Wenn er aber doch mal Lust auf ein bisschen Oben-ohne-Gucken hat, lässt er
die BMW mehrere Blocks vor dem Veranstaltungsort stehen. Das Schönste an
solchen Treffen sind die anderen Motorradfahrer, die bewundernd herumstehen.
"Boooh ey, wo hasse denn die Tüten her? Welcher TÜV hat dir denn die Gabel
eingetragen?? Und die Kühlrippen: alle von Hand poliert???"
Weil der BMW-Fahrer keine juristisch fragwürdigen Umbauten vornimmt und
sowieso alles die Werkstatt machen lässt, stehen um seinen Bock niemals
Grüppchen von Motorradfahrern herum. Doch auch für ihn schlägt einmal die
große Stunde. Rastplatz Münsterland. Ein Reisebus aus Rotenburg an der Wümme
hält an. DRK-Seniorenfahrt ins Sauerland, Die Omas gehen pinkeln. Die Opas
umringen den BMW-Fahrer und seine Maschine. "Oooh', rufen sie. Und "ahhh".
"Die neue BMW! Vier Ventile?? G-Kat??? Wunderbar, dass es den guten alten
Boxer noch gibt. Ja, nach dem Krieg, da hab ich eine R 51 Strich 2 gefahren.
Das waren noch Zeiten! Mehr geschraubt als gefahren!" "Komm jetzt, Erwin!"
Oma zieht Erwin in den Reisebus zurück. Von ferne winkt der Erwin noch
einmal- Und ruft noch etwas, das klingt wie: "Und warme Füße hatte man!
Immer!"