Ich gehöre zu den "Spätberufenen", habe meinen Schein erst vor acht Jahren mit Mitte 40 gemacht. Für mich gehört es zu den unangenehmen Seiten der Motorradfahrerspezies, dass Diskussionen oft mit unangemessener Rechthaberei geführt werden. Sicherlich verstärkt auch das eher unpersönliche Medium Internet diese Erscheinung. Wo Feedback nicht auf zig Kanälen gleichzeitig kommt, ist sich mancher seiner Worte nicht bewusst.
Interessant ist eine durch die Bank hohe Fortschrittsfeindlichkeit. Man liest sehr häufig die Vergangenheit glorifizierende Schilderungen. Offenbar haben ganz viele Motorradfahrer im Kontakt mit Anderen zwei Grundbedürfnisse:
1. wollen sie zeigen, was für harte Kerle sie doch sind
und
2. wollen sie zeigen,wie viel Ahnung und Erfahrung sie doch haben.
Vor allem Punkt 2 ist natürlich Quatsch. Einige der weltbesten Motorradsportler sind nicht viel älter als 16. Als ich meinen Führerschein gemacht habe, waren die noch Kinder, als die anderen alten Haudegen in diesem Forum ihren Führerschein gemacht haben, standen die noch nicht einmal als Quark im Supermarktregal. Dennoch verstehen diese Leute vom Motorradfahren vermutlich erheblich mehr als wir alle zusammen. Es ist eine Illusion, dass jemand, der seit 30 Jahren Mopped fährt, deshalb dreimal so viel versteht wie einer, der seit 10 Jahren fährt.
Mich wundert, mit welcher Schärfe oft Diskussionen geführt werden, in denen es um das Für und Wider von Ausrüstungsgegenständen geht: Da werden aus der Frage Wasser oder Luft, Textil oder Leder, Garmin oder TomTom Weltanschauliche Auseinandersetzungen, dass es die Sau graust. Und natürlich: Jeder tut immer so, als sei er der Härteste und Mutigste. Keiner gibt zu, dass er die Rasten seiner GS nicht anschleift, weil er sich einfach nicht traut, sich in der Kurve so weit runterzulegen.
Bei Licht betrachtet führen wir uns oft auf wie die Gorillas, die ihr Revier verteidigen und die Weibchen beeindrucken wollen. Was ein Quatsch.
Die Tatsache meines späten Führerscheins hat mir etwas beschert, was den meisten Altvorderen vermutlich fehlt: ich hatte eine relativ umfangreiche Fahrschulausbildung, und alles dort hat mich brennend interessiert. ich kann mich noch daran erinnern, wie ich mit 18 in der Fahrschule hockte, und genauso hocken da heute die 18-Jährigen drin. Es ist für sie nur eine weitere Facette des Langweiligsten, was in ihrem Leben passiert, nämlich: Schule. Für mich war mein Moppedführerschein ein Projekt, das ich mit meinem eigenen, sauer verdienten Geld und gegen Widerstände (Frau) durchkämpfen musste. Ich wollte vom Fahrlehrer alles wissen, was ging, schließlich wollte ich das Maximum für mein Geld.
Es gibt Dinge, die habe ich bei Motorradfahrer nie verstanden. Ich kann es nicht verstehen, wie jemand auf den dummen Gedanken kommen kann, im Verkehr eine Jacke in Nato-Flecktarn zu tragen. Es ist mir auch nie in den Sinn gekommen, warum ich die serienmäßigen, gut sichtbaren Blinker gegen solche eintauschen sollte, die kleiner und schlechter sichtbar sind. Für mich muss ein Motorrad vor allem funktionieren, und dazu gehören Signaleinrichtungen, die man wahrnimmt, wenn sie betätigt werden.
Mir hat mein Fahrlehrer mal erzählt, es gäbe nachts auf Landstraßen und vor allem auf Autobahnen ein erhöhtes Risiko, dass man als Motorradfahrer von Autos von hinten abgeräumt wird. Denn ein Motorrad hat nur eine Schlussleuchte, da ist der Abstand schwerer einzuschätzen. Das gab mir zu denken, zumal ich nachts lieber auf der Autobahn fahre als auf einer Landstraße, wo man die Kurven nicht einsehen kann. Deshalb habe ich zum Beispiel einen Leuchtstreifen rund um meine Koffer geklebt. Bei Tage sieht der ganz harmlos aus, wie ein Zierstreifen aus gebürstetem Alu, nacht leuchtet er, wenn er angestrahlt wird.
Bei Kleidung bin ich wegen meiner Größe gehandicapt, da muss ich nehmen, was passt. Dennoch habe ich bei all meinen Klamotten drauf geachtet, dass sie irgendwelche Reflexstreifen drin haben. Eine normale Wahnweste will ich nicht, denn erstens will ich kein Extra-Kleidungsstück das weiter keinen Nutzen hat, und zweitens gab es lange keine Wahnwesten in meiner Größe. Andererseits bin ich schon öfter mal zu Jahreszeiten, Tageszeiten und Wetterlagen unterwegs, bei denen andere Verkehrsteilnehmer Moppedfahrer nicht unbedingt auf dem Zettel haben. Ich habe mir deshalb vor ein paar Jahren aus einem Leucht-Kragen für Schulkinder und etwas Gummizug-Band ein Teil gebastelt, das ich über die Jacke ziehen konnteund das mir vor allem bei schlechtem Wetter etwas mehr Sichtbarkeit verlieh. Jetzt habe ich mir einen neuen Helm gekauft, mit Absicht in Neongelb. Er löst für mich das Sichtbarkeitsproblem perfekt. Ich brauche kein zusätzliches Kleidungsstück, kann alle meine Jacken weiter tragen, und das Ding hat gegenüber einem anderen Helm in irgendeiner anderen Farbe keine Nachteile, es war noch nicht einmal teurer.
Dazu kommt, dass das Tragen gedeckter, unbunter Kleidung auf dem Motorrad nicht immer - und auch nicht in allen Bereichen - angesagt war. Sportfahrer tragen bis heute auffällige Klamotten, so bunt wie möglich.
Und außerdem bin ich aus dem Alter raus, wo ich mir von anderen Leuten sagen lasse, was ich anzuziehen habe und was nicht;-)