Wer ein Auto hat, ist immer schuld
Temposünder dingfest zu machen ist gar nicht so einfach. Stationäre oder mobile Radarfallen liefern der Polizei zwar Fotos und genaue Geschwindigkeitsangaben. Doch nicht immer sind die Blitzerbilder so scharf, dass der Fahrer ermittelt werden kann. Das wurmt den Vorsitzenden der kleinen Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Er fordert, dass im Zweifelsfall grundsätzlich der Fahrzeughalter haften soll. Doch damit bringt er erst einmal die Konkurrenz auf die Palme: Die ungleich größere Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Halterhaftung für eine Schnapsidee. Dabei ist Wendts Ärger im Grunde zu verstehen. „Fast jeder zweite Raser kommt mit irgendwelchen Ausreden davon“, klagt er. Entweder seien die Fotos zu schlecht oder der Halter weigere sich, den tatsächlichen Fahrer zu nennen. An einzelnen Radarmessstellen betrage die Ausfallquote bis zu 40 Prozent. Wendt dringt deshalb darauf, dass die Halterhaftung in Deutschland eingeführt wird. Dann würden Temposünder nicht mehr so einfach davonkommen, meint der Gewerkschaftschef und verweist auf EU-Staaten, die so verfahren: Frankreich, Irland, Griechenland, die Niederlande, Österreich, Spanien, Portugal und Ungarn. Wendt versteht seinen Vorstoß als Signal an die Raser. Aber er denkt auch an die Entlastung der Polizei. Das zum Teil mühsame Ermitteln von Temposündern bindet Personal. Wendt schätzt, dass die Jahresarbeitszeit von 2000 Polizisten gebraucht wird, um die Ausreden von Rasern zu widerlegen – kostbare Zeit, die er lieber für die Jagd auf Kriminelle nutzen würde. Auch die EU wünscht sich die Halterhaftung, damit bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsverstößen die Zustellung von Bußgeldbescheiden an die Fahrzeughalter ausreicht. Bei der schwarz-gelben Bundesregierung findet die Idee indes kein Gehör. Auch der ADAC sieht nicht ein, dass Autofahrer für Verstöße bestraft werden sollen, die sie gar nicht begangen haben. Und die Polizisten von der GdP fahren noch schwereres Verbalgeschütz auf: Die Halterhaftung sei „realitätsfremd“ und widerspreche unserem Rechtssystem, erklärt der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. Bestraft werde man in Deutschland nur für eine Tat, nicht aber für den Besitz des Tatwerkzeugs. „Schließlich wird auch nicht der Besitzer einer Waffe bestraft, weil ein anderer damit jemanden getötet hat.“ Dass es schwierig ist, alle Raser zu identifizieren, bestreitet Malchow nicht. Er schlägt eine ganz andere Lösung vor. „Würden wir Temposünder gleich anhalten, wüssten wir, wer gefahren ist“, sagt er. Das Gespräch mit dem Fahrer hätte überdies einen wirkungsvolleren Erziehungseffekt als ein anonymes Knöllchen nach vier Wochen. Doch das passiere zu selten, denn dafür fehle der Polizei das Personal.
13.08.2013 / HAZ Seite 1 Ressort: POLI