Was mich zunehmend stört ist, daß von Rennen gesprochen wird, wenn irgendwo jemand zu schnell gefahren ist. Bin kein Jurist, der Begriff "Rennen" scheint sich gerade in seiner Bedeutung zu wandeln. Meiner Meinung nach ist das dem Zeitgeist geschuldet.
Laut Duden ist ein Rennen ein "sportlicher Wettbewerb, bei dem die Schnelligkeit, mit der eine Strecke zurückgelegt wird, über den Sieg entscheidet". Es geht also darum, schneller als der oder die anderen zu sein, den anderen im Zweifel zu überholen und als erster anzukommen.
Wenn zwei oder drei in gleichbleibender Reihenfolge flott hintereinander her fahren ist das nach meinem Verständnis kein Rennen. Genausowenig gibt es meiner Meinung nach ein Alleinrennen, es sei denn, ich fahre mit Datarecording und versuche schneller zu sein als beim letzten Mal.
Rennen als privat ausgetragener Wettkampf haben im öffentlichen Straßenverkehr nichts zu suchen, soviel ist klar. Ganz schlimm Ampelrennen in der Stadt.
Den Begriff Raser lasse ich gelten (Person, die übermäßig schnell fährt).
Der im Artikel zitierte Polizist hat es wohltuend nüchtern auf den Punkt gebracht: "Technisch ist das mit den Maschinen sicher machbar, aber an dieser Stelle völlig unangebracht und viel zu schnell.".
Vollkommen unsachlich ist die Einleitung des Verfassers "Wer die Passstraße am Sudelfeld einmal ... hochgefahren ist, weiß, wie schnell sich bereits die 60 erlaubten Stundenkilometer in den steilen Kurven anfühlen.". Dadurch wird das Vergehen der beiden künstlich überhöht.
Die beiden werden sicher nicht in einer Kurve, sondern eher bei einem Zwischensprint auf der Geraden 180 drauf gehabt haben.
Wenn ich am Tempomat 60 einstellen kann und das dann auch in den Kurven funktioniert, dann brauche ich vor den Kurven nicht zu bremsen, nicht zu schalten und am Kurvenausgang nicht zu beschleunigen (das Beschleunigen am Kurvenausgang ist anteilig eine der Maßnahmen, das Motorrad aus der Schräglage wieder aufzurichten). Dann ist aber auch die gesamte Harmonie aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Kräfte und Wechselwirkungen, die den Spaß am Motorradfahren ausmachen erledigt, dann macht's keinen Spaß mehr.
Für mehr Harmonie reichen vielleicht auch schon 20 oder 30 km/h Differenz zwischen Geradeausfahrt und Kurve. 180 sind angesichts von Einmündungen, Parkplätzen, Wanderern und Radfahrern am Kurs viel zu viel und gehören gebührend bestraft mit spürbarem Unterschied zu bspw. 90 km/h bei erlaubten 60.
Ob die 60 jetzt angemessen sind? Keine Ahnung.
Bei uns gibts im Wald eine Doppelkurve. Die fängt ab 80 km/h an, Spaß zu machen. Mit meiner R100CS muß ich über 110 fahren, damit der Sturzbügel aufsetzt, habe ich vor über 40 Jahren oft gemacht, dann sind die Reserven bei Null. Mit guten 100 auf die Kurve zu, mit 80 rum und beschleunigend wieder raus gibt eine schöne runde Fahrt. Ich habe auch schon probiert, ob ich innerhalb der übersehbaren Strecke bei der Geschwindigkeit mit der alten CS anhalten kann, klappt.
Vor 40 Jahren gabs da keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Danach folgten im Abstand mehrerer Jahre Beschilderungen von 70 über 50 auf aktuell 30 erlaubte km/h. Und immer noch schaffen es Leute, da in die Büsche zu fahren. In einer Kurve mitten im Wald, ohne irgendwelche Einmündungen oder sonstwas, darf ich heute auf bestem Belag, mit Tourenreifen die für Regenrennen taugen und schräglagentauglichen ABS- und ASR-Systemen nur noch 30 fahren, wo ich vor über 40 Jahren auf schlechtem Belag mit den damaligen Holzreifen problemlos 100 fahren konnte?
Hier will man es auch für den letzten Deppen sicher machen, wahrscheinlich hat einer geklagt, weil er es mit 50 nicht geschafft hat und verschwiegen, daß er durchs Handy abgelenkt war. Das seltsame ist, daß es in den beiden Ortschaften, die die Straße verbindet, Kurven mit kleineren Radien gibt, inmitten der Wohnbebauung mit Ein- und Ausfahrten und spielenden Kindern. Dort sind 50 erlaubt.
Sind jetzt die 30 im Wald oder die 50 im Ort unangemessen? Ich mache es so, daß ich im Ort langsamer als die erlaubten 50 um die Kurve fahre, so daß ich meine, im Zweifelsfall ausreichend reagieren zu können und im Wald schneller als 30, so daß es etwas Spaß macht, aber nicht mehr so viel wie früher. Mit 90 km/h wäre ich sonst womöglich auch ein "unverantwortlich rasender Rentner der mit dem 3-fachen des Erlaubten ein illegales Rennen gegen sich selbst gefahren ist".
Keine Frage, 180 inmitten anderer Verkehrsteilnehmer auf solch einer Straße sind mehr als zuviel, aber dafür gibts ja auch einen abgestuften Sanktionskatalog.