Da ich auf öffentlichen Straßen niemanden niederringen will, ist es mir vollkommen egal, welches Motorrad besser aus den Kehren beschleunigt oder zu zweit im 2. Gang. Außerdem habe ich sowieso keinen Anteil daran, daß es so ist, denn ich gehörte nicht zum Entwicklungsteam, hab's nur gekauft.
Ok, kurze Bremswege sind wichtig, da gibt's kein Vertun.
Ansonsten fahre ich ständig ein Rennen gegen mich selbst, in dem Sinne, daß ich mit meinem Material und im Rahmen meiner Möglichkeiten die Linie besser treffe, vor jeder Kehre geräuschlos den richtigen Gang drin habe und weniger oft scharf bremsen muß sondern eine runde Linie fahre.
Und wenn ich dabei mit meiner R100CS, die ich manchmal auch in die Alpen transportiere, auf die ASA-adaptierten Vollstrecker ein paar Minuten bis zur Passhöhe verliere, mir doch egal.
Bin ich in den 1980ern noch jedes Jahr auf eigener Achse in die Alpen gefahren, ziehe ich seit 25 Jahren meine Motorräder auf dem Anhänger 900...1000 km dorthin. Wenig Zeit, möglichst alle freien Tage im Alpenrevier verbringen, kein Bock auf Autobahn womöglich noch im Regen. Darunter waren einige Alpen Masters-Sieger (R1200R, R1200GS, R1200RS, Multistrada V4S).
Wenn ich mir die Fotos so durchschaue und in Erinnerungen krame, waren ab 2011 die tollsten Touren mit den schönsten Erinnerungen die mit der K1300S, obwohl jede der oben genannten direkt am Berg weniger anstrengend war.
Während ich also meine Weltreisemotorräder mit dem Anhänger durch die Gegend ziehe war ein Freund von mir, Ü60, nun mit seiner Ducati 999 erstmals im Leben überhaupt mit dem Motorrad in den Alpen.
Er denkt schon länger über was anderes nach von BMW bis Harley, aber soweit war es noch nicht gekommen.
Also auf eigener Achse auf der 999 aus der Lüneburger Heide in die Schweiz.
Die 999 hat über 90.000 km drauf, er schraubt selbst. Der 5. und 6. Gang sind unter 100 km/h quasi nicht nutzbar, die Sitzhaltung tut mir schon beim Hinsehen weh.
Statt Soziussitz ein selbst gefertigtes Gepäcksystem montiert. Am letzten Tag fertig geworden und irgendwie war jetzt ein Schlitz an der Sitzbank offen, aus dem heiße Luft vom Auspuff strömte, war aber auszuhalten.
Nach mehrtägiger Anfahrt im Zickzack über verschiedene Sehenswürdigkeiten durch Deutschland zum Bodensee und dann in die Schweiz. Ohne Navi, dafür ist kein Platz im Cockpit. Dort ist er mehrere Pässe gefahren, weil es so gut lief mehr als er vorhatte, unter anderem die alte Tremola-Passtraße mit dem Kopfsteinpflaster. Ohne Youtube-Videos, spezielle Einweisung oder Guide, das erste Mal in den Alpen, mit der 999.
Am geplant vorletzten Tag bekam ich abends gegen 19:00 dann eine SMS von einer kaum befahrenen einspurigen Passtraße. "Habe Panne, Handy Akku auch gleich leer, kannst Du nachschauen ob der Leerlaufschalter Plus oder Minus schaltet?"
Habe dann im Netz rausgefunden, daß es da verschieden Ausführungen gibt, letzten Endes konnte ich ihm die Information geben.
Wenig später die Nachricht "Läuft wieder".
Bei den langsamen Geschwindigkeiten an den Pässen, die Kehren waren sämtlich im 1. Gang zu fahren, oft mit schleifender Kupplung, lief ständig der Kühlerventilator. Das hat irgendwann die kleine Lithium-Batterie übel genommen und der Anlasser wollte nicht mehr. Aufgrund irgendeiner Logik läßt sich der Motor aber nicht anreißen, wenn nicht die Leerlaufkontrolle brennt. Also mußte zum Anschieben trotz eingelegtem Gang "Leerlauf" simuliert werden.
Nachdem die Beschaltung geklärt war, hielt eine hübsche blonde LKW-Fahrerin an und fragte, ob sie helfen könne. Nach der Ansage, ein einadriges dünnes isoliertes Kabel könne jetzt helfen, verschwand ihr Kopf wieder vom Seitenfenster und während er noch dachte sie würde nun weiterfahren, reichte sie ihm einen Moment später einen halben Meter isolierten Schaltdraht von oben aus dem Fahrerhaus zu. Damit konnte improvisiert werden.
Wegen der kaputten Batterie entschied er sich dann für die Heimfahrt an einem Tag über die Autobahn. Nach einmal Anrollen morgens am Berg und zwei Mal Anschieben durch Bauarbeiter und Motorradfahrer an Autobahnraststätten tat es die Batterie auf einmal wieder.
Dafür trennte die Kupplung auf den letzten paar hundert Kilometern nicht mehr richtig, das muß jetzt geklärt werden.
Meist gutes Wetter, ein Tag Regen, Pässe gefahren im 1. und 2. Gang, Panne gehabt, selbst behoben, LKW-Fahrerin und andere Leute kennengelernt, knapp 3000km in 10 Tagen. Toller Motorradurlaub!
Jetzt hat er tatsächlich eine BMW gekauft, wegen der Tourentauglichkeit. Eine R1200S aus 2007 mit Öhlins-Fahrwerk und ABS. 122PS, 246 km/h Spitze, nutzbarer 5. und 6. Gang.
Ist jetzt nicht ganz eine GS, aber mit Telelever, Boxer und ABS irgendwie auch schon.
Nach Überholung der Federelemente bei Zupin, neuen Reifen und großer rundum-Inspektion inklusive allem steht das Ding da wie neu.
Joah, funktioniert schon die BMW, aber irgendwie nicht der richtige Erlebniswert lautet das bisherige Fazit.
In die Alpen will er auf jeden Fall wieder, mit welcher von beiden steht noch nicht fest.
Und ich überlege, ob ich meinen Anhänger verkaufe und was ich sonst noch so falsch mache.
Will sagen, für einen selbst muß es passen.