
hubi53
Themenstarter
Hallo an alle.
Norwegenfan auf Island. Das ist mein Stichwort, denn Norwegenfan bin ich auch und gerade mit meiner GS Adv (Tourenfahrer in allen Teilen Europas) die dritte Woche auf Island. Insgesamt muss ich zugeben, von der Insel trotz der Naturschönheiten ziemlich desillusioniert zu sein und sehe mich veranlasst, hier ein paar Zähne zu ziehen und mögliche Erwartungen gerade zu rücken. Ich finde, Island kann mit Norwegen in keinster Weise mithalten, es sei denn, man ist ein Hardcore Offroadfahrer und Wetter sowie Straßenverhältnisse sind einem egal.
Ich muss auch zugeben, durch Reiseberichte und -bücher, aber auch Youtube-Filmchen über Islands Sehenswürdigkeiten und Naturbilder bei schönstem Wetter geblendet gewesen zu sein.
Meine Realität sieht nun doch etwas anders aus.
1. Das Wetter
Die Regel im Sommer ist, dass sich kurze Schönwetterperioden (meist sind aber auch die nur um max 15 Grad herum) mit längeren Starkwind- und Regenperioden bei morgens 5 Grad und max 10 Grad abwechseln. Vorhersagen sind unzuverlässig und die Bedingungen können sich sehr schnell ändern. Bei schlechtem Wetter sieht man von der Gegend gar nichts. Wind, Nässe und Kälte zermürben vielmehr. Schutz oder Unterstellmöglichkeiten gibt es in der nahezu unendlichen Einsamkeit der Gegend nicht.
Nach Aussage der Einheimischen hat Island im Sommer durchschnittlich nur 15 sonnige und windarme Tage.
2. Die Straßen
Nahezu alle asphaltierten Straßen sind entgegen derer in Norwegen kurvenarm und führen fast gerade durch besagte unendliche Weiten mit fast gar keiner Besiedlung. Das ist OK, solange das Wetter die Sicht auf die Naturschönheiten der Insel zulässt. Wie erwähnt sieht man bei den in der Mehrzahl schlechten Wettertagen jedoch gar nichts und hat beim Vorankommen das frustrierende Gefühl alles zu verpassen. Das gilt auch für die Schotterstrecken vor allem durch das Hochland. Die sind spannend und abwechslungsreich befahrbar, aber nur solange sie trocken und fest sind. Bei Nässe muss man sich auf den in der Regel waschbrettartig ausgefahrenen, von Schlaglöchern durchzogenen und im Feuchten extrem schmierigen Pisten stark darauf konzentrieren, nicht einen kolossalen Abflug zu machen. Nach einer solchen Fahrt, und ich rede von je nach Strecke um die bis zu 100km zum nächsten Asphalt, sieht nicht nur das Motorrad, sondern auch man selbst erbärmlich verdreckt aus. Eine reine Schlacht für Mensch und Material. Stollenreifen absolut notwendig!!!! An fast allen Tankstellen kann man allerdings mit Hochdruckreinigern und Bürsten die Maschine und sich selbst kostenlos vom gröbsten Dreck befreien.
3. Die Sehenswürdigkeiten Islands
Na klar, Islands Landschaften und Sehenswürdigkeiten sind sehr schön, vor allem die Gletscheransichten im Süden, jedoch insgesamt lange nicht so spektakulär, wie die farbenfrohe Werbung mit Drohnenaufnahmen einem weismacht. Die Geothermalstellen klein, der Geysir in 30min unter Touristenströmen bewundert und der 15. Wasserfall dann doch nicht mehr so lohnenswert. Ja, man kann zu den Walen schippern, Papageientaucher beobachten und sich in Thermalbädern vergnügen. Dazu sind allerdings hohe Eintrittspreise (z.B. Blue Lagoon 150 Euro pro Person), Parkgebühren oder lange Wanderungen in Motorradsachen fällig. Nicht für jeden angenehm. Dazu kommt, dass vor allem im Einzugsgebiet von Reykjavik tagtäglich hunderte, und ich meine hunderte von Bussen mit asiatischen und amerikanischen Pauschaltouristen zu den westlichen Sehenswürdigkeiten des sogenannten "Golden Circle" unterwegs sind. Ansonsten geben Reykjavik und die Insel insgesamt einen ärmlichen und vernachlässigten Eindruck ab (meine persönliche Meinung).
4. Unterkünfte und Preise
Wer sich das Zelten vornimmt, dem sei bewußt, dass die Campingplätze oft aus einer einfachen Stellwiese mit einem Dusch- und einem Toilettencontainer bestehen. Manchmal hat man einen beheizten Aufenthaltsraum und Küche, selten jedoch einen nennenswerten Wind- und Wetterschutz für Zelt oder abendlichen Aufenthalt. Bei schlechtem Wetter spätestens am zweiten Tag richtig eklig, wenn es nass, kalt und windig ist.
Guesthouses, Hostels oder Hotels findet man alternativ eigentlich immer. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass sie (um den Erwartungshorizont zu setzen) relativ teuer und in der Regel qualitativ unzureichend sind. Gut, man hat ein Dach über dem Kopf und es ist warm,.....ABER, meist spielt sich die Unterbringung dann in einem 10qm Zimmer mit Gemeinschaftsbad, ohne Schrank oder Regal, mit Self Check-In (also ohne Personal) und bei unterirdischer Bettqualität ab. Auch das einfachste Zimmer ist dabei kaum unter 100 Euro pro Nacht, die Regel ist im Sommer eher 150,- (nach oben offen je nach Region) zu haben. Für Verpflegung aus Supermärkten muss man das Doppelte, bei Restaurants das Dreifache des in Mitteleuropa gewohnten Preises veranschlagen. Ich finde, man wird hier ordentlich abgezockt.
5. Fazit
Wer wie erwähnt die Sehenswürdigkeiten Islands erkunden möchte, sollte dies aus meiner Sicht zunächst mit dem Auto machen und nicht mehr als 2 Wochen planen (reicht aus, um alles zu sehen). Plant man wie ich 3 Wochen mit dem Motorrad und steckt im Schlechtwetter fest, hat man mit Zitronen gehandelt, denn es gibt nicht die Möglichkeit des Abbruchs, da die Fähre nach Dänemark (im Sommer hin und zurück mit Bike und Verpflegung ca 1000-1500 Euro) nur einmal wöchentlich fährt und ein Umbuchen schwierig ist.
Ein Traumziel für den Tourenmotorradfahrer ist Island im Vergleich zu Norwegen aus meiner Sicht in keinster Weise.
Mit einem Naked-Bike (kein Wetterschutz) oder einem verkleideten Bike mit Straßenbereifung die Schotterstrecken fahren zu wollen, davon rate ich dringend ab.
Es sei nochmal erwähnt, dass ich jedem Hardcore Offroad Enthusiasten eine andere Meinung absolut gönne, nur sind das die meisten Biker, die sich von den gängigen Islandwerbungen "verführen" lassen, meiner Erfahrung nach nicht.
Euch alles erdenklich Gute auf Euren Touren, wohin der Weg auch führt.
Norwegenfan auf Island. Das ist mein Stichwort, denn Norwegenfan bin ich auch und gerade mit meiner GS Adv (Tourenfahrer in allen Teilen Europas) die dritte Woche auf Island. Insgesamt muss ich zugeben, von der Insel trotz der Naturschönheiten ziemlich desillusioniert zu sein und sehe mich veranlasst, hier ein paar Zähne zu ziehen und mögliche Erwartungen gerade zu rücken. Ich finde, Island kann mit Norwegen in keinster Weise mithalten, es sei denn, man ist ein Hardcore Offroadfahrer und Wetter sowie Straßenverhältnisse sind einem egal.
Ich muss auch zugeben, durch Reiseberichte und -bücher, aber auch Youtube-Filmchen über Islands Sehenswürdigkeiten und Naturbilder bei schönstem Wetter geblendet gewesen zu sein.
Meine Realität sieht nun doch etwas anders aus.
1. Das Wetter
Die Regel im Sommer ist, dass sich kurze Schönwetterperioden (meist sind aber auch die nur um max 15 Grad herum) mit längeren Starkwind- und Regenperioden bei morgens 5 Grad und max 10 Grad abwechseln. Vorhersagen sind unzuverlässig und die Bedingungen können sich sehr schnell ändern. Bei schlechtem Wetter sieht man von der Gegend gar nichts. Wind, Nässe und Kälte zermürben vielmehr. Schutz oder Unterstellmöglichkeiten gibt es in der nahezu unendlichen Einsamkeit der Gegend nicht.
Nach Aussage der Einheimischen hat Island im Sommer durchschnittlich nur 15 sonnige und windarme Tage.
2. Die Straßen
Nahezu alle asphaltierten Straßen sind entgegen derer in Norwegen kurvenarm und führen fast gerade durch besagte unendliche Weiten mit fast gar keiner Besiedlung. Das ist OK, solange das Wetter die Sicht auf die Naturschönheiten der Insel zulässt. Wie erwähnt sieht man bei den in der Mehrzahl schlechten Wettertagen jedoch gar nichts und hat beim Vorankommen das frustrierende Gefühl alles zu verpassen. Das gilt auch für die Schotterstrecken vor allem durch das Hochland. Die sind spannend und abwechslungsreich befahrbar, aber nur solange sie trocken und fest sind. Bei Nässe muss man sich auf den in der Regel waschbrettartig ausgefahrenen, von Schlaglöchern durchzogenen und im Feuchten extrem schmierigen Pisten stark darauf konzentrieren, nicht einen kolossalen Abflug zu machen. Nach einer solchen Fahrt, und ich rede von je nach Strecke um die bis zu 100km zum nächsten Asphalt, sieht nicht nur das Motorrad, sondern auch man selbst erbärmlich verdreckt aus. Eine reine Schlacht für Mensch und Material. Stollenreifen absolut notwendig!!!! An fast allen Tankstellen kann man allerdings mit Hochdruckreinigern und Bürsten die Maschine und sich selbst kostenlos vom gröbsten Dreck befreien.
3. Die Sehenswürdigkeiten Islands
Na klar, Islands Landschaften und Sehenswürdigkeiten sind sehr schön, vor allem die Gletscheransichten im Süden, jedoch insgesamt lange nicht so spektakulär, wie die farbenfrohe Werbung mit Drohnenaufnahmen einem weismacht. Die Geothermalstellen klein, der Geysir in 30min unter Touristenströmen bewundert und der 15. Wasserfall dann doch nicht mehr so lohnenswert. Ja, man kann zu den Walen schippern, Papageientaucher beobachten und sich in Thermalbädern vergnügen. Dazu sind allerdings hohe Eintrittspreise (z.B. Blue Lagoon 150 Euro pro Person), Parkgebühren oder lange Wanderungen in Motorradsachen fällig. Nicht für jeden angenehm. Dazu kommt, dass vor allem im Einzugsgebiet von Reykjavik tagtäglich hunderte, und ich meine hunderte von Bussen mit asiatischen und amerikanischen Pauschaltouristen zu den westlichen Sehenswürdigkeiten des sogenannten "Golden Circle" unterwegs sind. Ansonsten geben Reykjavik und die Insel insgesamt einen ärmlichen und vernachlässigten Eindruck ab (meine persönliche Meinung).
4. Unterkünfte und Preise
Wer sich das Zelten vornimmt, dem sei bewußt, dass die Campingplätze oft aus einer einfachen Stellwiese mit einem Dusch- und einem Toilettencontainer bestehen. Manchmal hat man einen beheizten Aufenthaltsraum und Küche, selten jedoch einen nennenswerten Wind- und Wetterschutz für Zelt oder abendlichen Aufenthalt. Bei schlechtem Wetter spätestens am zweiten Tag richtig eklig, wenn es nass, kalt und windig ist.
Guesthouses, Hostels oder Hotels findet man alternativ eigentlich immer. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass sie (um den Erwartungshorizont zu setzen) relativ teuer und in der Regel qualitativ unzureichend sind. Gut, man hat ein Dach über dem Kopf und es ist warm,.....ABER, meist spielt sich die Unterbringung dann in einem 10qm Zimmer mit Gemeinschaftsbad, ohne Schrank oder Regal, mit Self Check-In (also ohne Personal) und bei unterirdischer Bettqualität ab. Auch das einfachste Zimmer ist dabei kaum unter 100 Euro pro Nacht, die Regel ist im Sommer eher 150,- (nach oben offen je nach Region) zu haben. Für Verpflegung aus Supermärkten muss man das Doppelte, bei Restaurants das Dreifache des in Mitteleuropa gewohnten Preises veranschlagen. Ich finde, man wird hier ordentlich abgezockt.
5. Fazit
Wer wie erwähnt die Sehenswürdigkeiten Islands erkunden möchte, sollte dies aus meiner Sicht zunächst mit dem Auto machen und nicht mehr als 2 Wochen planen (reicht aus, um alles zu sehen). Plant man wie ich 3 Wochen mit dem Motorrad und steckt im Schlechtwetter fest, hat man mit Zitronen gehandelt, denn es gibt nicht die Möglichkeit des Abbruchs, da die Fähre nach Dänemark (im Sommer hin und zurück mit Bike und Verpflegung ca 1000-1500 Euro) nur einmal wöchentlich fährt und ein Umbuchen schwierig ist.
Ein Traumziel für den Tourenmotorradfahrer ist Island im Vergleich zu Norwegen aus meiner Sicht in keinster Weise.
Mit einem Naked-Bike (kein Wetterschutz) oder einem verkleideten Bike mit Straßenbereifung die Schotterstrecken fahren zu wollen, davon rate ich dringend ab.
Es sei nochmal erwähnt, dass ich jedem Hardcore Offroad Enthusiasten eine andere Meinung absolut gönne, nur sind das die meisten Biker, die sich von den gängigen Islandwerbungen "verführen" lassen, meiner Erfahrung nach nicht.
Euch alles erdenklich Gute auf Euren Touren, wohin der Weg auch führt.
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