Da war einiges mehr schon einmal da, was mit Erscheinen der 4V-Boxer-Baureihe aus Käufer- und Fahrersicht plötzlich nicht mehr vorhanden war. Ich kann's mir nur so erklären, daß es unterschiedliche Design- und Konstrukteursgruppen sind, die nichts miteinander zu tun haben wollen und sich sogar in der Firmenkantine versuchen aus dem Weg zu gehen.
Kann in den altersmilden Gesang leider nicht mit einstimmen. Die wußten damals genau was Trumpf ist, nur stand ihnen das Wasser bis zur Halskrause und sie haben nur die allernotwendigsten Sachen gemacht, damit man mit dem Ding - leicht übertrieben - vom Hof kommt. Schwergängige Seilzüge ohne Tefloninnenhüllen, viele notwendige Getriebeüberarbeitungen, Motorgehäuse aus hochwertigem Marzipan, wegen Ölmangel fressende Kippehebelwellen, ausgeschlagene Drosselklappenlagerungen, gebrochene Steuerkettenschienen, reihenweise durchgeblasene Zylinderkopfdichtungen, herausgedrückte Ventildeckeldichtungen, Bremsenprobleme mit langen Hebelwegen, besonders in Verbindung mit ABS, klingelnde Motoren, Motorschäden, in vielen Details serviceunfreundlicher Aufbau, alles war vertreten. Einzig fahrwerksseitig gab es wenig ausfallbedingten Ärger und einiges an Lob für die Tele-, Paralever-Konstruktion (na ja, die quick and dirty vom Vorgänger übernommende HAG-Lagerung mal ausgenommen).
Ich war seinerzeit sehr engagiert und habe mich mit denen gestritten ohne Ende, wie man sich ein solch halbfertiges Konstrukt unters Volk zu bringen traut (hat aber bei BMW Tradition, wie man bis heute weiß). Eigentlich waren erst die letzten Modelle 1998 und danach die R1150 straßenreife Verkaufsversionen der 4V-Boxer. Davor war das ein höchst unwürdiges technisches Gestümpere in vielen Bereichen des Motorrades und eher ein Affront den Premiumkäufern gegenüber, aber sie konnten nicht mehr warten, nach dem Motto: "Ich war jung und brauchte dringend das Geld!"
Mit dem sich nach und nach einstellenden Verkaufserfolg dieser Baureihe haben sie sich trotzdem die Schlinge vom Hals halten können, in der Versenkung zu verschwinden, denn ein erheblicher Teil der damaligen Käufer war relativ unerfahren, unkritisch und leicht zu begeistern.
Die BMW AG hatte der zwangsweise auf eigene Füße gestellten Sparte Motorrad damals gedroht sie aus dem Konzern auszugliedern, weil sie ihr Geld nicht selber verdienen konnten, sondern quasi auf Konzernstütze angewiesen waren. Deshalb war schon damals Geiz geil.
Ja ich finde mich in Deinen Worten an vielen Stellen wieder.
Und nehme ich die ja selbst aufgesetzte Brille der von Dir angesprochenen Altersmildheit ab, so muss ich sagen, dass mich diese seit langem eingeschlagene Richtung des Herstellers unserer Motorräder sehr häufig wurmt.
Wer den Chef dieser Riege letztes Jahr in Garmisch in seinem 5. Klasse-Englisch so überaus selbstgefällig und bräsig (über)erlebt hat, wenn man so manches Designunglück verdaut hat, wenn man aus dem Kopfschütteln ob der Qualitätsmängel nicht mehr herauskommt, dann ist man mit Dir im Konsens auf einer Linie.
Wenn man mal betrachtet was hier im Forum am meisten "Thema" ist, so muss ich wieder oft den Kopf schütteln.
Dieses ständige Rumgehampel mit der Elektrik, wie kalt es sein darf um zu starten und einfach loszufahren, dass man die neuen Batterien Tag und Nacht hätscheln und tätscheln muss, dass man bei Regen eine Plastiktüte über die Lenkerarmatur stülpen muss, dass man des Nachts neben dem in der Garage abgestellten Motorrad eine Feuerwache für die Nacht einteilen muss, dass man zur Wiederherstellung der Betriebssicherheit der Bremse Holzkeile mit sich mitführen muss, dass die Bremsanlagen teilweise so suppen, dass sie beim TÜV keine Plakette bekommen würden, dass die Nockenwellen so eingelaufen sind dass sie kaum noch Ventilhub auslösen, dass die Motoren rasseln, scheppern, klickern, rumpeln und zirpen wie ein T 34 -Motor aus dem 2. Weltkrieg, dass man sich um das atmosphärische Klima im Schwingenarm Gedanken machen muss, dass der gesamte Hinterradantrieb wohl viel zu mickrig ausgefallen ist, das die "Niveauautomatik" ständig ausfällt oder wie das hoch und runtergehende Karussellpferd rumstolpert usw., usw.
Von ASA und Quickshifter, von aufblühendem Lack am Motor, Fehlermeldungsorgien im TFT-Display, abfallenden Fußschalthebeln, rupfenden Kupplungen und verschmorten Statoren der Lichtmaschinen, unvorhergesehene plötzliche Zwangsbremsungen sogar in Kurven, von kaum vorhandenem Korrosionsschutz (z. B. Schrauben!), vom Desaster ums Gepäcksystem will ich erst gar nicht reden.
Ich breche hier ab und mache dafür Platz für die altersmilde Nostalgie, schwärmend tief in unserem Motorradherzen von alten Tagen:
Kluft angezogen, Benzinhähne auf, getupft oder Choke, Zündung an, angetreten oder angelassen, Helm auf, Handschuhe an und los... - Sommer wie Winter, bei Sonnenschein und bei Gewitter.
Und ohne all die oben genannten Probleme und Sorgen - einfach nur fahren und freuen.