Sodele,
ich hatte ja gestern die Stelvio für einen Tag gemietet und lasse auch mal ein paar Eindrücke da. Subjektiver Art, selbstredend.
Ein paar Bilder dazu gibt´s
hier.
Bin selbst ja sehr glücklich mit einer V85TT unterwegs, mich interessierte der direkte Verleich ohne daß ein Wechsel / Upgrade wirklich
auf dem Zettel wäre. Ausserdem miete ich gern meist 2 Motorräder oder Roller im Jahr für einen ganzen Tag, Erkenntniserweiterung und Vorurteilsabbau durch praktische Erfahrung könnte man sagen
Vorab: es ist irgendwie doch ein ganz anderes Motorrad in allen Belangen. Das merkt man insbesondere beim direkten Umsteigen nach einer langen Tagestour, man erkennt erstmal sein eigenes, mittlerweile wie ein "ausgelutschter Turnschuh" passendes Motorrad kaum wieder
Nach Erläuterung von ein paar Basics dieses Modell betreffend durch den jungen, freundlichen Mitarbeiter - von weitreichenden Erklärungen zu den zahllosen Einstellmöglichkeiten in den Tiefen des Menüs bat ich abzusehen - den konventionellen Schlüssel umgedreht, ein Druck auf den Mädchenknopf entlockt dem gelifteten Boxer einen zwar prägnanten, aber den Euro - Normen geschuldet etwas "synthetischen" Sound.
Mit Verve das Ding vom Seitenständer gehievt, uff, doch ein ganz schöner Brocken.....
Die Sitzposition ist sehr im Motorrad integriert, ansonsten für mich (176cm) angenehme und tourentaugliche Sitzposition.
Modernes Cockpit, im Vergleich zur V85 (älteres Modell) ein leichter Fortschritt, wenngleich manche Zahlen für die nicht mehr ganz so jungen Boomer durchaus etwas größer ausfallen könnten.
KLACK Die Größe der Buchstaben gibt die Lautstärke beim Einlegen des ersten Ganges nur unzureichend wieder, stets begleitet mit einem deutlichen Ruck nach vorne. Egal ob kalt oder warm, egal wie durchgeführt. Habe ich so noch nie erlebt.
Wie aber das ganze Getriebe, ist bei der Kleinen auch so, wahrscheinlich konzeptbeding etwas "kalonkig" ist.
Die erst auf den letzten Millimeter des Kupplungshebels einrückende Kupplung lässt mich erstmal wie ein Fahrschüler mit leicht erhöhter Drehzahl vom Hof rollen
.
Mal ein wenig wedeln, bremsen, warmfahren.
Ab auf die Bahn Richtung Albaufstieg. Das Fahrzeug hat fünfstellige Kilometer, also mal Saft an die Maschinen.
Ups, wenn man fast immer nur mit 70, 80 PS unterwegs ist das schon eine andere Liga.
Kein Tempolimit, die Autos machen bereitwillig Platz, mal kurz bis Tacho 210 hochgezogen. Die Stelvio liegt bolzstabil, der Windschutz ist sehr gut.
Das Schild kann elektrisch verstellt werden, oben ist es merklich entspannter, allerdings kann ich mich nicht an Windschilder gewöhnen,
die auch nur ansatzweise (die ersten Meter auf der Strasse) im Blickfeld sind.
Baustelle, Stau. Gab´s bei mir in >40 Jahren noch nie, also mit Umsicht aber bestimmt durch. Bitte keine Rettungsgassendiskussion.
Plötzlich gibt es ständig diverse optische und akustische Warn - und Piepssignale

, man meint das Ding geht gleich in die Luft....
Für mich genau so nervig wie das ständige
grelle Aufleuchten der Warnleuchten im Spiegel in vielen Situationen.
Das Radarsystem scheint sehr umsichtig zu sein und mich gut zu beschützen zu wollen, bei einer potentiellen Bestellung wäre diese, übrigens durchaus hässliche, Option sicher nicht angekreuzt.
Runter von der Bahn rein ins pralle Moppedleben. Auch wenn der Motor gemeinhin als eher durchzugsschwach betitelt wird feuert er aus den Kehren heraus doch anders raus im Vergleich zur luftgekühlten Bella.
Kleine Zwischensprints oder Überholvorgänge werden souverän erledigt, dort wo man der V85TT schon ein wenig die Stößelstangen flattern lassen muß, sollte es mal flotter vorangehen (was aber auch mit der V85 auf der Landstrasse problemlos möglich ist!)
Auf zur nächsten Kehre. Beim Abtouren entweicht ein wenig des pupertär anmutenden, aber nicht ungeilen "Sprotzelns" aus der Abgasanlage.
Die Bremsen sind super, warum man allerdings bei einem in der Weite verstellbaren Bremshebel in der
engsten Einstellung mit "normal großen" Männerhänden gerade mal mit der Fingerkuppe des Effenberg - Fingers diesen erreicht bleibt ein Geheimnis der Konstrukteure.
Oder besser der Kaufleute, weil die heute ja bestimmen was verbaut wird.....
Wenn wir schon beim Meckern sind hier mein größter Kritikpunkt: Das soll doch eine Reise"enduro" sein.
Ein Großteil der Käufer wird weit über 50 sein und deren Bandscheiben schon einiges mitgemacht haben.
Obwohl ich an der Verstellbarkeit des Fahrwerks nicht rumgefummelt habe, dort könnte noch ein wenig zu holen sein, verstehe ich nicht diese grundsätzlich (sehr) straffe Auslegung des Fahrwerks.
Ja das bringt spürbare Stabilität, auch bei schnellen Kurven mit 120 wackelt da nix, aber hey, es ist keine Fireblade.
Man sollte mit so einem Mopped auch über drittklassige, seit 30 Jahren geflickte, Provinzsträsschen fahren können, ohne daß man einen Orthopäden im Bekanntenkreis hat.
Das kann die V85 schon serienmäßig besser, habe dort aber trotzdem ein Wilbers nachgerüstet (ist gut, aber nicht sehr gut. Ein im Vergleich gefahrenes Öhlins war bezüglich Komfort auch keine Spur besser...)
Und so vergehen weitere Stunden, wo auf fast immer leeren Strassen gebummelt, angegast, abgewinkelt oder leise durchrollend die Natur bewundert wird.
Rückgabe, noch einmal drumrum und kurz über den Tank getätschelt. Optik konnten die Italiener schon immer.
Wie immer dort: Man bekommt ein schönes, charakterstarkes, etwas aus der Reihe tanzendes, beileibe nicht perfektes Motorrad für Individualisten.
Wem die Premium - Klasse too much, die V85 zu schwach und der Kardan eventuell von Bedeutung ist, der sollte die Stelvio mal antesten.
Zurück auf der V85TT, diese cleane Optik der Luftgekühlten gefällt mir halt noch besser, ergibt das gleich wieder ein etwas urigeres "Oldschool - Feeling". Schwer zu beschreiben, einfach nicht so synthetisch.
Aber ja, so ein paar Pferdchen der Stelvio, die würd´ ich schon nehmen.....
Allen ein schönes WE!
Ciao
Alex