Nüja,
unterstellt, dass es in der Ausgangsfrage nicht um die möglicherweise gesetzlich vorgeschriebenen Warnwesten für den Pannenfall geht, sondern um die, die sich manche Fahrer zur Steigerung der passiven Sicherheit über die Jacke ziehen, dann ist die Antwort vielschichtig.
add 1) Zeitgeist
Bevor ich mir heuer eine GS zugelagt habe, war ich 30 Jahre mit K100 bzw. K1100 in durchaus GS-typischen Biotopen unterwegs gewesen. Als Fahrer von Oldtimern kennt man sich mit der Maschine aus. Soll heissen, man wartet sie komplett selbst. Mein Kulturschock kam, als ich mich hier angemeldert hatte. Ich erwartete Leute, die andauernd bis Unterkante Endtopf in irgend einem Sumpf der Welt stecken oder sich abends, am Feuer vor dem Zelt in der Wüste einen Leguan braten. Dies selbstredend mit ölverschmierten Händen. War aber nicht so. Die ersten Themen, auf die ich hier stieß waren "welche Endgeschwindikgeit erreicht eure Kiste?" oder "welche Karbonteile kann man noch dran bauen". Soll heißen, heute fahren viele eine GS, weil es schick ist, und weil sie die Knete dafür haben. Für diese Leute ist Optik alles. Karbon hier, Edelklamotten da (selbstredend schwarz). Diese Leute sind zwar das diametrale Gegenteil von "Kerlen, die in ihren Stiefeln sterben...", aber sie wollen wenigstens so wirken. Sieht man gut an den Textilsortimenten (z.B. T-Shirts) der üblichen Verdächtigen. Es gibt fast nix ohne Totenkopf. Und jetzt kommt diesen Leuten ein "Leuchtkeks" entgegen. Optisch ein Skandal.
add2) Mangel an Standardsicherheit
Ich zähle zu den Motorradfahrern, die schon eine ziemlich lange Zeit (bei mir sind's fast 40 Jahre) unfallfrei durch die Welt schaukeln, und ich bin mir der tatsächlichen Risiken dieses tollen Hobbies alltäglich bewusst. Nicht alle kann man vermeiden, aber viele davon. Ein überwältigend hoher Anteil der Motorradunfälle basiert auf falscher Einschätzung bzw. schlechter Sichtbarkeit des Motorrads durch PKW Lenker. Es kann also in keinem Fall unvernünftig sein, die eigene Sichtbarkeit zu verbessern - auch wenn dies gern Zeitgeist Fuzzies kotzen lässt (was wiederum nix macht, da Bulämie eh zur persönlichen Grundausstattung gehört). Erstaunlicherweise tragen viele der aus meiner Perspektive "echten" GS Fahrer Warnwesten, oder Klamotten mit hohem Kontrast. Und das tun sie sicher nicht, weil sie "Fahranfänger" sind. Und selbst wenn sie's wären, wo bitte wäre da der Makel?
Ich habe mich unlängst neu eingekleidet, und ich tue dieses gerne "analog". Aachen bietet reiche Auswahl. Louis, Gericke, FC-Moto, Polo und diverse andere. Also mit gewissem Grundekel vor den sich anbiedernden Verkäufern losgestumpft. Mein Ziel: Gute Textilklamotten, mit ausreichenden Reflexzonen, um eine Überziehweste überflüssig zu machen. Zusätzlich ein neuer Helm. Farbe: nicht schwarz oder dunkel. Ergebnis: Gibts nicht in den Läden. Helle Helme schon ("können wir bestellen", aber ansonsten nur Darth Vader Look - fernab jeder Vernunft. Ich habe mir die Klamotten schließlich doch über's Internet beschafft. Ich würde mir wünschen, dass es für "vernünftige Sissies" wie mich vernünftige Klamotten von der Stange gäbe. Gefühlt 30% der heutigen Motorradfahrer scheinen heute noch Vernunft vor Optik zu stellen. Ein Zeichen, wie dämlich die etablierten Ausstatter am Markt agieren. Bieten alle das gleiche an, und gehen lieber regelmässich pleite, anstatt sich um 30% des Marktes zu bemühen. On Top auf den Bodensumpf der Designorientierten, versteht sich.
Sehe ich jemanden mit Weste, so denke ich mir gar nix. Bestenfalls. Clever Bürschchen. Du fährst gerne Motorrad, und Du tust es mit Hirn, um kein Opfer der Evolution zu werden.
Glückauf,
Thomas