Moin,
Wer so den Thread beginnt, will der eigentlich was mitteilen?
Was den Eingangspost von
@kraichgauq angeht, muss man ihm vielleicht auch zugute halten, dass er beim Verfassen ne ordentliche Krawatte hatte? Keine Ahnung, wie ich da schreiben würde? Was er gemeint hat, war ein KTW/RTW (Krankentransportwagen/Rettungswagen), wobei er dass so ja nicht hätte bestellen können (macht die Leitstelle, nach Schilderung der Symptome).
Selbstkritisch:
Im Gesundheitswesen, das wird auch
@RettSanRalle bestätigen können, neigt man nach gewisser Zeit
- zu einem ausgeprägten Abkürzungsfimmel (AküFi
), einfach weil die Ausdrücke präzise sein müssen. Gleichzeitig ist die Fachsprache aber teilweise elendig langatmig…und Zeit ist meist eine kritische Größe? In der ZNA sagt kein Mensch, bei einem Patienten mit kaum beherrschbaren abdominellen Beschwerden, Kreislaufdysregulation, einem Bilirubin gegen unendlich und einem positiven Ultraschallbefund "Ruf doch mal bitte in der chirurgischen Endoskopie an, wir brauchen wohl eine endoskopisch-retrograde Cholangio-Pankreaticographie?". Da kommt einfach nur "2711, wir kommen mit einer ERCP."
- dazu, diesen "Berufssprech" auch im nicht-beruflichen Umfeld zu benutzen. Geht einem einfach in Fleisch und Blut über, bzw. wirst Du darauf echt gedrillt. Ist mir in meiner Ausbildung schon passiert, dass Dich ein Oberarzt/Chefarzt anherrscht, im Sinne von "Kommen sie auf den Punkt!" oder "Ich spreche ihre Sprache nicht!"
Ärztlicherseits ist diese Form der Sprache gerne auch eine Möglichkeit, sich störender Nachfragen oder emotionaler Reaktionen zu entledigen? Da wurde der 45-jährigen Patientin mit Verdacht auf Mamma-Ca (Brustkrebs) zwar bei der Chefvisite gesagt, dass der Biopsie-Befund positiv war und die OP geplant wird. Gleichzeitig sagte der Chef seinem OA, dass die Behandlung mit den Onkologen entsprechend des Befunds "Grad 3, T3N3M1" abgestimmt wird.
Hat niemand verstanden? Nun, die Patientin auch nicht. Und wen fragte man wohl? Moi, weil ich ja bei der Visite dabei war.
Soll
ich ihr jetzt sagen, dass der Tumor sehr bösartig ist, eine fast maximale Ausdehnung erreicht hat, alle umgebenden Lymphknoten
und das Knochenmark befallen sind? Und das die OP alles, aber kein Spaß/keine Routine wird. Denn es müssen nach Möglichkeit alle thorakalen Lymphknoten raus. Während der Operation sitzt ein Pathologe mit im Saal, der sich jedes neue Präparat unter dem Mikroskop anschaut und dann entscheidet, ob es reicht oder ob der nächste Knoten auch noch raus muss ("Schnellschnitt").
Wenn man im Rahmen der Visite nachgefragt hat, ob man vielleicht die Schmerztherapeuten und/oder die Palliativabteilung mit informieren sollte, bekam man ein "Cave linguam" (Beachte die Sprache) oder ein "ante portas" (vor der Tür) zugeraunt.
Da fällt mir doch glatt das dazu ein...
FunFact: Als Schöffe hatte ich eine Verhandlung beim Landgericht, bei der es um die Einweisung eines jungen Mannes in den Maßregelvollzug ging. (Übel schwerer Eingriff, da keine vorab festgelegte Haftdauer, man kommt da erst wieder raus, wenn die medizinischen Gutachter sagen, dass eine Entlassung (auch auf Bewährung) möglich ist.)
Im Zuge der Hauptverhandlung der großen Strafkammer (3 Berufsrichter, 2 Schöffen) wurden
alle Arztbriefe aus der Akte verlesen. Arztbriefe strotzen nur so vor Abkürzungen und Fach-Kauderwelsch. 45 Minuten, in denen ich beständig zwischen Belustigung und Erschrecken hin und herschwankte. War aber interessant, wie unverständlich auch für Elite-Juristen

unser Geschreibsel ist? Der Anstaltsarzt der JVA Bruchsal war als Sachverständiger geladen und saß mir gegenüber…dem ging es echt schlecht, unsere Gesichter sprachen wohl Bände und nach kurzer Zeit fanden wir beide die Struktur unserer Tische waaaahnsinnig interessant. Aber hey, die Vorsitzende Richterin einer Großen Strafkammer beim Landgericht unterbricht man nicht beim Aktenvortrag während der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung!

