- aber das problem "zu viele Deutsche" existiert real.
Ganz im Gegenteil. Und darüber ist man sich hier bei aller 'Antipathie' sogar sehr einig. Daneben dürfte Holger wohl oder übel mit vielem Recht haben... Scheisse aber auch!
Zuerst einmal: Wir sprechen nur von der Deutschen Schweiz, dh. von rund 60% der Landesbevölkerung (exkl. weiteren 22% Ausländern). Und auch innerhalb der Deutschschweizer gibt es je nach Region unterschiedliche Haltungen, ein bunter Haufen eben. Die Romands, die Ticinesi, die Rumantsch sehen das alles viel entspannter, mit gutem Grund: Unsere Deutschschweizer 'Abneigung' gegen unsere Cousins (das Wort 'Brüder' vermeiden wir in diesem Zusammenhang) ist blosser Abwehrreflex. Wir haben es nicht so gerne, dass der Grosse aus dem Norden, der uns einerseits stets milde belächelte, andererseits immer über uns herrschen wollte, in unser kleines wohlgeordnetes Wohnzimmer tritt und den Gradmesser mimt. Soweit unser inneres, abstraktes Bild.
Die Realität ist eine ziemlich andere. Wer waren und sind wir noch mal? Ähmm genau, Schweizer, mit sehr viel Ernst bei der Sache sogar. Deshalb orientieren wir uns auch so stark an Deutschland, schauen Euer TV, lesen Eure Schriftsteller, Eure Zeitschriften (im Ausland - und da ist man schnell von hier aus - gibt es in unserer Sprache nichts anderes; zuhause sucht man etwas wie z.B. den Spiegel oder die Zeit vergeblich, eine Süddeutsche haben wir höchstens ansatzweise), fahren Eure Fahrzeuge und freuen uns an Euren übrigen technischen Errungenschaften, lieben Euren Fussball und fiebern an Weltmeisterschaften mit Euren Mannschaften - oder gerade ausgesprochen nicht und freuen uns stattdessen an Euren leider nicht sehr häufigen Niederlangen, kommen tut es aus derselben Ecke.
Neben diesem Herz in unseren Brüsten gibt es ab ca. Basel gen Westen auch den starken Einfluss von Frankreich her. Wir können zwar deren Sprache nicht (echt, unsere Zungen...), sind aber dennoch stark vom Französischen geprägt: Bräuche, Ausdrücke und Redewendungen, Verhaltensweisen, das Essen, und vieles mehr - NICHT aber die Mentalität, bedauerlicherweise. Vielleicht empfinden wir die Franzosen deshalb nicht primär als 'Agressoren', sondern mehr als Bereicherung; Sarko und seine Vorgänger kann man als Deutschstämmiger möglicherweise einfach nicht wirklich ernst nehmen, keine Ahnung.
Gespalten also. Hier unten befinden sich die Randständigen der sich überschneidenden Kulturen, weit weg von den Zentren ihrer ursprünglichen kulturellen Heimaten Italien, Frankreich und Deutschland. Aus vielfältigen Gründen haben wir uns über die Jahrhunderte hinweg zusammengerauft, uns im Wesentlichen selber zu organisieren - u.a. auch weil sich schlicht kein Schwein für uns interessierte. Denn ausser Fels und Stein, Eis und Schnee, viel Armut, wunderschönen Kühen und besonders eigenwilligen (pardon: selbstbewussten) Frauen hatte dieser Landstrich bis vor wenigen Jahrzehnten für Aussenstehende gar nichts zu bieten. Welcher Herrscher einer europäischen Grossnation wollte da schon seine Energien an unbelehrbare, widerborstige und wehrhafte Alpenvölker mit naturgemäss beschränktem Horizont verschwenden? Da wir meist mit uns verhandeln liessen, blieben in der Regel auch die Alpenübergänge zumindest für den Meistbietenden passierbar (ausser bei den Ösis, da verstehen wir bis heute unabhängig von jedem Preis keinen Spass. Begreiflicherweise).
Die mehr oder weniger eigenständige Selbstorganisation über Jahrhunderte hinweg hat ihre Spuren hinterlassen. Wir tun uns sehr schwer mit Vorgaben von aussen, egal ob inhaltlich vernünftig oder nicht, aus Prinzip einfach schon mal. Manchmal gerät diese Haltung gerade Deutschland und seiner Bevölkerung gegenüber etwas ausser Kontrolle, so dass es nur noch als pubertierendes Verhalten erscheint - und auch ist. Effekthascherei und das Bedienen niederer Instinke haben ein paar Idioten bei uns selbstverständlich auch drauf, seit einigen Jahren auf langsam aber sicher mühsame Weise erfolgreich, immerhin mit abnehmender Tendenz. Nachdem man den Leuten nun nicht mehr nur mit den 22% durchwegs kriminellen Ausländern Angst machen konnte, greift man halt auf die älteste aller Naturgefahren zurück: Die Deutschen. Gähn, wo ist die Fernbedienung?
Das hätte ich mir und Euch eigentlich alles schenken können, denn ich will niemandem etwas vormachen: Ihr dürft alle sehr gerne kommen, sofern Ihr entweder a) genügend Geld mitbringt oder b) bereit seid, zu schuften wie wir es tun sowie c) in beiden Fällen dann auch wieder mal geht. So sieht es realistisch gesehen aus hier. Und damit schliesst sich der Kreis zum eingangs Gesagten: Scheisse aber auch!
Gruss Rolf.