Das sehe ich komplett anders. Calimoto wird hier zum Buhmann, weil sich der Springerverlag nicht an die Vereinbarungen hält. Und die Käufer der Zeitschrift wollen ein Abo zum Schnäppchenpreis, nicht aber zum vollen Preis und sind überwiegend nach einem Jahr wieder weg.
Das sind aus meiner Sicht zwei Paar Schuhe, Zörnie.
Mal aus Sicht der Kommunikation und des Marketings:
Calimoto verkauft eine Dienstleistung im Abo. Weil die Leute die Katze ungern im Sack kaufen, gibt es zum Schnuppern eine kleine Regionalkarte gratis. Offensichtlich reicht das als Anreiz nicht ausreichend aus, die Konversionsrate zum zahlenden Kunde scheint gering zu sein. Vom Noch-Nicht-Kunden wird der Abopreis also nicht als fair erachtet bzw. der Vorteil vom Kunden nicht erkannt.
Kosten: Im Prinzip sind die Grundkosten für Calimoto gleich bei 10.000 wie auch bei 75.000 Anwendern. Die Entwicklungskosten für die Software sind unabhängig von der Nutzerzahl. Support wird personalschonend über ein schlankes Webinterface gehandelt. Als einziges ist evtl. der Traffic für die Kartendaten noch ein kleiner Faktor sowie interne Verwaltungskosten. Die OSM-Karten verursachen keine Lizenzkosten. Grundsätzlich verdient Calimoto also bereits in einer frühen Phase sein Geld. Letztlich haben die Calimoto-Lizenzen natürlich einen gewissen Wert, aber die Ware ist für Calimoto erstmal beliebig für annähernd 0 Euro das Stück replizierbar.
Gehen wir also davon aus, dass Calimoto erstmal sehr geringe Eigenkosten für die Lizenz hat.
ComputerBILD verkauft seine redaktionelle online- und Print-Reichweite an Unternehmen, die die hohe Kontaktfrequenz dazu nutzen, um bisherige Nicht-Käufer über einen weiteren Kanal anzusprechen.
Jetzt wissen wir nicht, wie der Deal aussah, aber wir kennen die Eckwerte: Es gab eine exklusive, vierfarbige Doppelseite im Heft, redaktionell gestaltet, auf der die Software ausführlichst beschrieben wurde. Eine doppelseiteige Anzeige dieser Größe kostet unverhandelt ca. 60.000 Euro (Quelle: Computerbild). Dazu gab es Vorankündigungen und auch schnell Mundpropaganda im Netz. Alleine das schon hat einen hohen PR-Wert, abgekoppelt von der Aktion. Darüber hinaus wurden eine Anzahl x Lizenzen an ComputerBILD geliefert (letztlich eine Datei mit x Einträgen), die CoBi über ihr eigenes Lizenzportal ausgespielt hat. Aufgrund meiner Erfahrung vermute ich, dass also eher Geld von Calimoto zu CoBi geflossen ist.
Nicht ComputerBILD hat gekauft, sondern Calimoto hat für eine Marketingaktion geliefert - das ist ein wichtiger Unterschied.
Die Argumentation: potenzielle Interessenten können die Lizenz statt für 39,99 Euro für 4,90 Euro für ein Jahr nutzen. Dabei wurde kalkuliert, dass Y Prozent der Käufer dabeibleiben und sich von den Vorteilen überzeugen lassen (Gewöhnungseffekt, eigener Nutzen = fairer Preis ändert sich). Davon sind einige, die das Programm nie für 39,99 abonniert hätten, aber aus Neugier die gleiche Lizenz für 12,25% des Preises doch erworben haben.
Da Calimoto wie oben ausgeführt keine wesentlichen Eigenkosten für eine Lizenz hat, ist jeder Nutzer, der in 12 Monaten dabeibleibt, ein Gewinn. Tatsächlich ist der Gewinn sogar noch höher, da sich durch zufriedene 1-Jahr-Gratis-User sehr wahrscheinlich zusätzliche, neue Abonnenten generieren lassen (positive Erfahrungsberichte bei Treffen, Austausch in Foren, Must-have-Effekt durch andere Berichte etc.).
Und daher ist Calimoto mit dem Klammerbeutel gepudert. Sich hinzustellen und potenzielle Kunden zu vergrätzen ist an dieser Stelle stark nachteilig ("Ihr hättet es kostenlos kriegen können, aber wir sagen jetzt mal Bätschi"). Und auch wenn ComputerBILD Mist gebaut hat (was feststeht), ist es äußerst unklug, sich öffentlich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Beide beschädigen ihren Ruf. Letztlich ist zudem recht offensichtlich, dass es eine Marketing-Aktion von Calimoto war, die sich der ComputerBILD bedient hat.
Aus PR-Sicht begeht Calimoto daher im Moment einen sehr großen Fehler, gerade das Statement ist von allen Fehlern einer der dümmeren. Der Witz daran: Diese Situation hätte Calimoto ohne wesentliche Zusatzkosten sehr elegant zu ihrem Vorteil nutzen können. Dabei hätte man auch der CoBi den Gesichtsverlust erspart und nicht potenzielle Käufer entfremdet. Also unprofessionelles Kommunikationsverhalten auf Seiten Calimoto.
Aber Calimoto ist nicht mein Beratungskunde, daher müssen sie selber auf die Lösung kommen. Ich schaue mir das weiter sehr genau an und werde es für meine Kunden als Fallbeispiel aufarbeiten - wie man Krisenkommunikation nicht machen sollte