3.Problematik KlappenauspuffeSeit ca. 2009 haben einzelne Motorradhersteller begonnen, ihre Fahrzeuge mit klappengesteuerten Auspuffanlagen auszurüsten, welche das Fahrgeräusch nur gerade im Messbereich der Vorschriften auf diemassgebliche Limite begrenzen. In der Zwischenzeit ist ein Grossteil der Motorräder über 500 cm/3 damit ausgerüstet und entsprechend europäisch typengenehmigt. Während einzelne Hersteller beim «Soundtuning» wohl aus Imagegründen noch eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen, haben andere ihre Hemmungen vollständig abgelegt und bringen Motorräder mit gültigen europäischen Typengenehmigungen auf den Markt, bei welchen die Auspuffanlage nur noch bei geschlossener Klappe eineschalldämmende Wirkung hat. Auf der Strasse fallen solche Motorräder mit exorbitanter Geräuschemission auf, obwohl sie die gesetzlichen Geräuschlimiten des
Typengenehmigungsverfahrens vollständig einhalten.
Wie in Ziffer 2 erwähnt, werden die von der EU-beschlossenen neuen Geräuschvorschriften solche Klappensysteme ab 2016 verbieten.
4. Problematik Nachrüstschalldämpfer
Auch Nachrüst oder Ersatzschalldämpfer werden heute mit gültigen europäischen Typengenehmigungen in den Handel gebracht. Das Anbringen ist analog zu den Mitgliedstaaten der EUweder melde noch prüfpflichtig, wenn diese Auspuffanlage für das betreffende Fahrzeug genehmigt ist. Selbst solche Anlagen sind heute oft ebenfalls mit Klappen und entsprechenden zykluserken-nenden Steuerungen ausgerüstet. Die damit nachgerüsteten Fahrzeuge zeigen das gleiche Verhalten wiedie beschriebenen typengenehmigten Fahrzeuge mit den entsprechenden Klappensystemen; während siedurch übermässige Geräuschemission auf der Strasse auffallen, würde man anlässlich einer Konformitätsüberprüfung feststellen, dass die massgebenden Vorschriften
trotzdem eingehalten bleiben. Wie inZiffer 2 erwähnt, werden die neuen, von der EU beschlossenen Geräuschvorschriften solche Klappensysteme künftig auch bei Nachrüstschalldämpfern verbieten.
Andere Ersatzschalldämpfer sind in der Regel so gebaut, dass sie über herausnehmbare Einsätze verfügen (im Jargon dB Killer genannt; Beilage 1). Nur mit vorhandenen Einsätzen sind die entsprechenden Auspuffanlagen typengenehmigt. Der von den Fahrzeughaltern gewünschte Sound genau deswegen wird der in der Regel noch intakte Originalschalldämpfer ersetzt, stellt sich aber erst nach entfernen dieser Einsätze ein, was selbstverständlich praktiziert wird. Daran ändert nichts, dass der Hersteller in
seinen Unterlagen darauf hinweist, dass das Entfernen im öffentlichen Strassenverkehr nicht zulässig sei.
...........
Die Polizei hat im Juli 2012 an fünf Motorradtypen, welche auf der Strasse teilweise als besonders laut aufgefallenen sind, die Geräuschemission nach der für die Typengenehmigung vorgeschriebenen Vorbeifahrtmessmethode ermittelt. Der dabei massgebende Grenzwert von 80 dB(A) wurde von allen Fahrzeugen weit überschritten; es wurden Werte von 83,5 bis 93,8
dB(A) gemessen (Beilage 5). Da der Schallpegel in Dezibel (dB) eine logarithmische Funktion der effektiven Schallleistung
ist, bedeutet eine Erhöhung des Schallpegels um 3 dB(A) bereits eine Verdoppelung der Schalleistung.
Konkret bedeutet dies, dass das Motorrad mit einem Schallpegel von 83,5dB(A) lauter ist als zweigleichzeitig vorbeifahrende vorschriftskonforme Motorräder sowie dasjenige mit 93,8 dB(A) sogar lauter als vierundzwanzig gleichzeitig vorbeifahrende vorschriftskonforme Motorräder ist. Nachdem die Polizei an den betreffenden Motorrädern keine Abweichungen zur
typengenehmigten Ausführung und auch keine anderen nachträglich vorgenommenen unerlaubten Änderungen feststellen konnte, hat siedie erhöhte Geräuschemission der Fahrzeuge im September 2012 dem für die Durchführung von Konformitätsüberprüfung von typengenehmigten Fahrzeugen zuständigen Stelle gemeldet.
7.Konformitätsüberprüfung (KBA)
Sogenannte Konformitätsüberprüfungen an frei ausgewählten typengenehmigten Fahrzeugen sollen sicherstellen, dass die Fahrzeughersteller ihre Fahrzeuge auch tatsächlich so in den Handel und auf die Strasse bringen, wie sie typengenehmigt wurden. Damit wird beispielsweise verhindert, dass Fahrzeuge
lediglich für die im Typengenehmigungsverfahren durchgeführten Emissionsmessungen präpariert werden, die später verkauften Fahrzeuge aber die gesetzlichen Limiten gar nie einhalten. Wird bei einer Konformitäts-überprüfung festgestellt, dass die Fahrzeuge die massgebenden Vorschriften nicht einhalten, kann dies den Entzug der Typengenehmigung, einen Rückruf zur Instandstellung oder sogar ein Verkaufsverbot der betroffenen Fahrzeuge zur Folge haben.
Im Oktober 2012 hat der für die Durchführung von solchen Konformitäts-überprüfungen zuständige Bereich Fahrzeugtypisierung, für die in Ziffer 6 erwähnten, gemeldeten Motorradtypen, ein Konformitätsüberprüfungsverfahren eröffnet. Nach der bestimmten Fahrzeugauswahl bei den Importeuren erfolgte eine Überprüfung der Bauteile auf Übereinstimmung mit der typengenehmigten Ausführung. Diese Überprüfung blieb ohne Befund. In der Folge
wurden die Motorräder an die akkreditierten Prüfstellen zur Überprüfung der Moto
rleistung und zur Durchführung der für die Konformitätsüberprüfung der Geräuschemissionen vorgeschriebenen Messungen freigegeben.
Die im Zeitraum vom April bis Juni 2013 durchgeführten Messungen zeigten ein ernüchterndes Resultat:
Alle fünf Motorräder erfüllen die massgebenden Geräuschvorschriften
und entsprechen vollumfänglich der typengenehmigten Ausführung.
Die Ursache für die Diskrepanz zwischen den durch die Polizei und durch die Prüfstellen durchgeführten Geräuschmessungen liegt darin, dass sich die Prüfstellen, die für die Durchführung solcher Messungen besonders geschult sind, vollumfänglich an die vorgeschriebenen Prüfbedingungen gehalten haben.
In diesem Fall erkennt die entsprechend programmierte elektronische Motorsteuerung der Motorräder, dass eine «offizielle Geräuschmessung» erfolgt (Zykluserkennung) und schliesst im Auspuff eine Klappe, welche das Geräusch auf den gesetzlich vorgeschriebenen Wert limitiert. Daneben führt die Aktivierung der Klappe bei den besonders lauten Motorrädern auch zu Leistungsverlust und zu einem im Verhältnis zur normalen Leistungsentwicklung der Fahrzeuge fast schon gefährlich eingeschränkten Beschleunigungsvermögen. So beträgt bei zwei geprüften Fahrzeugtypen (gemessen wird bei Vollgas im 2. Gang über eine Strecke von 20m und einer Anfangsgeschwindigkeit von 50 km/h) der Geschwindigkeitszuwachs bei geschlossener Auspuffklappe gerade 3 km/h, während bei geöffneter Klappe um 24 km/h beschleunigt wird (Beilage 5). Zur
Gegenprobe wurden mit diesen Motorrädern weitere Messungen durchgeführt, wobei sich die Fahrer nicht mehr exakt an die gesetzlichen Vorgaben des Messverfahrens gehalten haben, indem z. B. der Gasgriff nicht genügend schnell betätigt oder die vorgeschriebene Einfahrgeschwindigkeit in die Messstrecke nicht genau stabilisiert wurde. Es wurde festgestellt, dass bereits geringe Abweichungen vom vorgeschriebenen Messablauf dazu führen, dass die Motorsteuergeräte die «offizielle Geräuschmessung» nicht mehr
erkennen und die Auspuffklappen offen bleiben. Die akkreditierten Prüfstellen haben bei diesem sozusagen normalen Strassenbetriebszustand der geprüften und vorschriftskonformen Motorräder nicht exakt die gleichen, aber ähnlich extrem hohe Geräuschemissionen gemessen, wie die Polizei bei Ihren Kontrollen.
8. Bilanz Geräuschemissionen
Einzelne Motorräder fallen im Verkehr als sehr laut auf, insbesondere wenn die Lenker stark beschleunigen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass solche Fahrzeuge in illegalem Zustand sind. Auch wenn die Polizei Kontrollen durchführen will, ist es praktisch nicht möglich, mit ausreichender Rechts-
sicherheit die illegalen Fahrzeuge ausscheiden zu können. Das Durchführen von Geräuschmessungen (Standmessung mit Vergleich des bei der Typen-genehmigung ermittelten Referenzwertes oder eine Vorbeifahrtgeräusch-messung) ist kein geeignetes Mittel, um illegale Fahrzeuge feststellen zu können.
Selbst die Durchführung der im Typengenehmigungsverfahren vorgeschriebenen Vorbeifahrtge-räuschmessung führt nicht zum Ziel.
Einzig eine Bauteileüberprüfung bietet die Möglichkeit, illegal abgeänderte Fahr
zeuge zu erkennen. Die aktuelle Situation verunsichert die Polizei bei ihren Kontrollen sehr und stösst auch bei Motorradfahrenden auf Unverständnis. So ist es heute möglich, dass ein Halter, dessen Motorrad wegen eines
entfernten Schalldämpfereinsatzes bei geräuschmässig geringer Auffälligkeit angezeigt und bestraft wird, während die Polizei den Fahrer eines gleichzeitig kontrollierten Motorrades mit Klappenauspuff und im praktischen Fahrbetrieb unwirksamer Schalldämpfung weiterfahren lassen muss.
Auch der geschilderte Fall der überprüften fünf Motorräder zeigt, dass bereits die rechtssichere Beweisführung, d.h. die vorschriftskonforme Messung der Fahrzeuge komplex und quasi nur unter «Laborbedingungen» zuverlässig genug ist.
Außerdem hat in diesem Fall auch das aufwändige Verfahren der Konformitätsüberprüfung durch die zuständige Behörde trotz begründetem
Verdacht (aufgrund von ausführlichen Kontrollen und Messungen durch die Polizei) ins Leere gestoßen.