Frage an Profis: Gewicht vs. Radstand/Lenkkopfwinkel/Nachlauf

Diskutiere Frage an Profis: Gewicht vs. Radstand/Lenkkopfwinkel/Nachlauf im Motorrad allgemein Forum im Bereich Community; Klingt ein bissl nach dem "Gemeinsprch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" Dazu hat Immanuel schon alles gesagt :)
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Gast 23088

Gast
Ist das wirklich so? Schließlich dreht sich ein größeres Rad bei gleicher Geschwindigkeit langsamer. :engel:

Und: Wie wirken diese Kreiselkräfte denn genau? Wenn das Motorrad beim Lenken in genau aufrechter Position gehalten würde, würden diese Kreiselkräfte der Lenkbewegung genau null Widerstand entgegensetzen ...
So, jetzt bin ich (als Hobbyphysikus :)) tatsächlich neugierig geworden:

Da das Motorrad ja in Kurvenfahrt eben nicht aufrecht bleibt, spielen die "Kreiselkräfte" ja durchaus eine Rolle. Diese "Kreiselkräfte" bestehen ja aus dem Reaktions-Dehmoment (aufgrund des Strebens nach Erhalt des Drehimpulses), und dieses wiederum steigt mit zunehmendem Trägheitsmoment und mit zunehmender Raddrehzahl. Das kleinere Rad hat ein geringeres Trägheitsmoment, aber (bei gleicher Geschwindigkeit) eine höhere Raddrehzal - gleicht sich dieser Effekt aber immer genau aus? :confused:
 
RunNRG

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Die Masse des Rades und wo die Masse des Rades verteilt ist, spielt hier auch noch rein. :cool:

Je weiter aussen die Masse sitzt, desto träger reagiert sie auf Richtungsänderungen. Also sagt nicht nur kleines Rad und großes Rad, leichtes Rad und schweres Rad etwas aus, dann noch die Drehzahl bzw. Winkelgeschwindigkeit sondern auch die Massenverteilung.

Da müsste man also die Kraft messen, die je System bei Drehzahl x (oder identischer Umfangsbeschwindigikeit y) zur Präzession führt.
 
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Gast 23088

Gast
Die Masse des Rades und wo die Masse des Rades verteilt ist, spielt hier auch noch rein. :cool:
Ist nicht beides im Trägheitsmoment?

Trägheitsmoment ist doch die Summe der Massen multipliziert mit dem Quadrat der Abstände zur Drehachse - oder irre ich?

Aber was Du wahrscheinlich meinst: Ein größeres Rad muss nicht zwangläufig ein größeres Trägheitsmoment haben.
Stimmt vermutlich, aber zur Vereinfachung kann man das wohl mal annehmen :cool:
 
Serpel

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Um beim Fahrrad zu bleiben: Vorderrad ausbauen (geht am einfachsten). mit den Händen an der Achse festhalten und von einer zweiten Person (Geschlecht uninteressant) heftig zum Rotieren bringen lassen. Dann einfach fühlen in welcher Beziehung/Richtung sich das Ding stabilisiert.
Beim ausgebauten Laufrad beobachtet man, dass der Kreisel immer senkrecht zum eingeleiteten Drehmoment ausweicht. Was beim eingebauten Laufrad konkret bedeutet, dass das Fahrrad nach links kippt, wenn der Lenker nach rechts gedreht wird und nach rechts kippt, wenn der Lenker nach links gedreht wird.

Wer jetzt allerdings glaubt, dass dieses Kreiselreaktionsmoment der eigentlich Grund für das Kippen des Velozipeds ist, lässt seine theoretischen Überlegungen tatsächlich zu sehr von der Praxis leiten, da die Laufräder viel zu leicht sind und viel zu langsam drehen, um einen 80 Kg-Fahrer auf diese Weise in irgendeiner Richtung (genügend heftig) zu beschleunigen.

Der Hauptgrund ist die Trägheit des Gefährts, das weiterhin geradeaus möchte, wenn sich die Spur des Vorderrads unter ihm wegdreht. Dadurch kippt das Zweirad zur "richtigen" Seite und übt auf diese Weise nun seinerseits ein Drehmoment auf das rotierende Vorderrad aus. Zwar auch nur von kleinerem Betrag, aber diesmal um die Lenkachse, was ausreicht, um das Rad zur Kurveninnenseite hin einschwenken zu lassen.

Da dieser Mechanismus: "Fahrzeug kippt -> Lenkung dreht durch das Kreiselreaktionsmoment zur richtigen Seite und fängt das Kippen auf" vollautomatisch geschieht, fährt unser Motorrad unter den meisten äußerlichen Bedingungen selbstständig, ohne umzukippen. Es kippt also nicht als direkte Folge der Kreiselkräfte nicht um, sondern als indirekte Folge des Kreiselreaktionsmomentes, das den Lenker selbständig und vollautomatisch ständig zur richtigen Seite lenkt. Die direkten Kreiselkräfte wären viel zu klein. (Und erst noch in die falsche Richtung gerichtet. :rolleyes:)

So viel zur Theorie, die in diesem Fall nahezu vollständig ist. Was noch fehlt, sind Stabilitätsbetrachtungen, die Aussagen darüber erlauben, unter welchen Bedingungen dieser Selbststabilisierungsmechanismus ausklingt bzw. sich aufschaukelt. Die Praxis lehrt in diesem Fall, dass meistens Ersteres der Fall ist, bisweilen aber leider auch Letzteres ... :augenbrauen:

Gruß
Serpel, der im Übrigen den Spruch von der Theorie und der Praxis sau doof findet
 
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Gast 23088

Gast
Es kippt also nicht als direkte Folge der Kreiselkräfte nicht um, sondern als indirekte Folge des Kreiselreaktionsmomentes, das den Lenker selbständig und vollautomatisch ständig zur richtigen Seite lenkt.
Ähm, ist das nicht ungefähr das, was ich in #20 schrieb?

Hättest Du vielleicht auch noch ein Antwort auf meine Frage aus #22? Würde mich wirklich interessieren (ich liebe Theorie!)
 
Serpel

Serpel

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Ups, hab ich gar nicht gesehen, hat sich während des Schreibens als letzter Beitrag auf der vorigen Seite dazwischengeklemmt.

Ja, das ist ungefähr das, was ich auch meine! Außer, dass ich nicht glaube, dass die Geradeausfahrt beim Motorrad ein ständiger Ausgleich zwischen Kippen und wieder Aufrichten ist - also ständiges Schlangenlinienfahren -, sondern ein "echt" stabiler Zustand.

Gruß
Serpel
 
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Gast 23088

Gast
Außer, dass ich nicht glaube, dass die Geradeausfahrt beim Motorrad ein ständiger Ausgleich zwischen Kippen und wieder Aufrichten ist - also ständiges Schlangenlinienfahren -, sondern ein "echt" stabiler Zustand.
Sagen wir statt "echt stabil" dynamisches Gleichgewicht. Auch bei "stabiler" Geradeausfahrt kommt es ja ständig zu kleineren Störimpulsen (sei es in Lenk-oder Kipprichtung), und die werden eben bei ausreichend hoher Raddrehzal durch das Reaktionsdrehmoment "sofort" ausgeglichen (ohne, dass der Fahrer das merkt). Je langsamer das Krad, desto mehr müssen wir selbst den Ausgleich am Lenker vornehmen :)
 
Serpel

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Nein, nein, ich meine schon Stabilität im Sinne der Verzweigungstheorie! Es gibt auch instabile Gleichgewichtszustände. Es gibt ja eine Grenzgeschwindigkeit, unterhalb derer die Stabilität verschwindet.

Gruß
Serpel
 
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Gast 23088

Gast
Nein, nein, ich meine schon Stabilität im Sinne der Verzweigungstheorie!
Dann versuche ich es anders: Wenn der Zustand wirklich stabil wäre, dann dürfte ja auch der festgeschweißte Lenkkopf nix ausmachen. Oder noch anders: Es wäre nur stabil bis zum ersten Störimpuls (Bodenwelle z.B.) - oder irre ich? Es ist natürlich keine Schlangenlinie, weil der Ausgleich so schnell geht, aber nichts desto trotz ist es doch letztlich ein ständiges hin und her zwischen Kipp- und Lenkbewegung. Jedenfalls verstehe ich das so. Wie gesagt, zwar Theorieliebhaber, aber in Sachen Physik nur auf Laienniveau... :)
 
Serpel

Serpel

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Den Einwand verstehe ich.

Jedoch: Wann beginnt der Ausgleich des Störimpulses? Eine Sekunde nach dessen Eintreten, eine Hundertstel Sekunde später oder sofort?

Ich bin für sofort.

Gruß
Serpel
 
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Gast 23088

Gast
Dann sind wir uns ja einig, denn "sofort" schrieb ich schon in #28 :)

Und ja, wir können uns auch auf stabil einigen - wenn wir Stabilität eines im Gleichgewicht befindlichen Systems verstehen als seine Fähigkeit, nach Störungen selbtständig ins Gleichgewicht zurückzufinden (eine gängige Definition, jedenfalls in der ökonomischen Gleichgewichtstheorie, ich vermute aber auch in vielen physikalischen Zusammenhängen).
 
jr53

jr53

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Haben denn andere, die beide Moppeds schon gefahren sind, den gleichen Eindruck (RT handlicher)?
Überhaupt nicht! Ich bin nach 2 GSen (Bj. 2012 ca. 60 Tsd. km, 2017 ebenfalls ca. 60 Tsd. km) mit denen ich tolle Reisen gemacht habe und super zufrieden war (leichtes Manko war die Hinterradbremse der 2017er) auf die 1250 RT umgestiegen.

Warum: ich wollte mal was anderes, ich fahre öfter weitere Strecken, auch BAB, und fürs Gelände kann ja mal was Kleineres her. Ich schätze besonders das souveräne Fahren mit der RT und sicher, man kann sie auch sportlich bewegen. Aber handlicher als die GS ist sie nun wirklich nicht, sie ist deutlich kopflastiger, lenkt nicht so super leicht ein, daher muss man bei schnellen Wechselkurven auch etwas mehr arbeiten. Also auch ich bereue die Entscheidung nicht - aber handlich und sogar noch handlicher als die GS... nicht wirklich.

Gruss

Jürgen
 
Uli G.

Uli G.

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Die einfachste und m.E einzige Antwort auf die Fragestellung ist:

"Die Lösung ist nicht trivial"!

Wäre sie es, gäbe es für jeden Anwendungszweck ziemlich genau EIN ultimatives Fahrwerk.

Gibt es aber nicht (nichtmal ein passendes Fahrwerk für die gleichen Rahmenbedingungen unter verschiedenen Fahrern)!

Grüße
Uli
 
Serpel

Serpel

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Hättest Du vielleicht auch noch ein Antwort auf meine Frage aus #22? Würde mich wirklich interessieren (ich liebe Theorie!)
Hätte ich beinahe vergessen ...

In Näherung ist das Trägheitsmoment des Rades J = m(r)r^2 und seine Winkelgeschwindigkeit w = v/r. Daher ist der Eigendrehimpuls des Rades näherungsweise L = Jw = m(r)vr. Wenn man davon ausgeht, dass die Masse des Laufrads mit wachsendem r eher zu als abnimmt, ist das kleinere Rad gegenüber dem größeren in Bezug auf Handlichkeit daher massiv im Vorteil. (Aber das wussten eh bereits alle seit langem. :lalala: )

Gruß
Serpel
 
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