Es gibt die Theorie und die Praxis und darüber hinaus noch die "theoretische Praxis".
Letztere wird beim Fahrertraining und bei den auch von mir pro Jahr zahlreich durchgeführten Bremsübungen praktiziert. Bei diesen Übungen, jedenfalls ich mache das so, lege ich den Bremspunkt fest oder gebe mir ein - vermeintlich - "plötzliches" Bremskommando. Ich tue das jedoch nicht, wenn ich auf eine Mauer o.ä. tödliches Hindernis zufahre.
Je nach Trainings-/Übungszustand und nach einer gewissen Anzahl von Wiederholungen klappt das dann auch recht ordentlich mit dem progressiven Bremsen.
In der wirklichen Praxis sieht das halt eher anders aus: da kenne ich den Bremspunkt eben gar nicht vorher, sondern werde von der Situation wirklich überrascht und bekenne mich ganz offen dazu, dass ich dann in der Regel den Hebel einfach voll zuziehe, v.a. wenn kein Platz fürs Ausweichen ist. Das ist der Grund, warum ich seit Jahr und Tag mit ABS fahre, sogar auf meiner 300'er Vespa.
Die Situationen sind nicht extrem häufig, aber es gibt sie bei mir doch hin und wieder pro Saison:
- Ein Auto fährt einfach raus, obwohl ich mit dem Fahrer vorher (vermeintlich) Blickkontakt hatte.
- Oder einer wechselt plötzlich und unvermittelt die Spur.
- Ein Kind springt auf die Straße und ich habe es vorher nicht gesehen. Ich bremse schon voll bei dem Ball, der auf die Straße fliegt.
Klar kennt man diese Situationen alle auch aus der Erfahrung, aber immer dann, wenn es wirklich überrraschend und extrem knapp ist, zieh ich den Hebel voll durch, und das ohne bewusst über das Bremsen nachzudenken. Es ist dann schlichtweg keine Zeit dafür, hier die "Bremsbacken sanft an die Scheiben anzulegen und dann den Bremsdruck zu steigern".
Sowas kann ich vielleicht schon mal in der "Vorausschau" vor/in einer blinden Kurve machen, aber nicht wenn 5-10 m vor mir ein Fahrzeug im 90° Winkel auf die Fahrbahn fährt und auf der Gegenfahrbahn voller Verkehr ist.
Sicherlich gibt es den einen oder anderen Valentino R., der in - absolut jeder - Situation das progressive Bremsen beherrscht und/oder auch bei Gegenverkehr noch den Platz für das Ausweichmanöver findet. Ich gratuliere den Glücklichen! Meine Bewunderung ist mit Euch!
Allen - den Profis wie den Laien - wünsch ich gute Fahrt und für die (un-)blutigen Laien wie mich, bedarf es halt dem ABS sowie der nötigen Portion Glück.
Gruß GS3